Der Sinn der Praxisgebühr – die Zahl der Arztbesuche zu verringern – wurde durch Ausnahmen ad absurdum geführt. Eine Reform ist notwendig.

Ungewohnt deutlich hat der Chef der Kassenärzte gefordert, die Praxisgebühr nicht mehr einmal im Quartal, sondern bei jedem Arztbesuch zu kassieren. Was zunächst wie eine Mehrbelastung der Patienten aussieht, könnte am Ende sogar Kosten sparen.

Eingeführt wurde die Praxisgebühr, um die Zahl der Arztbesuche zu verringern. Es sollte nicht jeder nach einer Selbstdiagnose eine Tournee durch Arztpraxen antreten. Dabei sollten die Hausärzte zu „Lotsen“ im Gesundheitssystem werden. Dieses Konzept ist – nach anfänglichen Erfolgen – gescheitert.

Noch immer gehen die Deutschen häufiger zum Arzt als jeder unserer Nachbarn in Europa: 18 Mal im Jahr. Vor allem aber zahlen nur noch 28 Prozent aller Patienten die Praxisgebühr. Der Rest ist davon befreit – sei es aus finanziellen Gründen oder weil ihm seine Krankenkasse die Befreiung anbietet. Die Ausnahme ist zur Regel geworden.

Wer will, kann am Anfang eines Quartals bei einem seiner Ärzte einen Stapel von Überweisungen für alle anderen Ärzte bekommen, um sich dann dort kostenlos ins Wartezimmer setzen zu können. Der Sinn der Praxisgebühr, die Ressourcen des Gesundheitssystems zu schonen und eine gezieltere Behandlung zu ermöglichen, wird ad absurdum geführt. Der einzige Grund, warum die Gebühr weiter besteht, sind die 1,5 Milliarden Euro Einnahmen, die den Krankenkassen fehlen würden.

Würden künftig fünf Euro pro Arztbesuch fällig, wie es übrigens auch die CSU überlegt, würde das den durchschnittlichen Patienten nicht mehr treffen als heute, denn nach Angaben der Kassenärzte geht jeder Patient zweimal im Quartal zum Arzt. Wer wenig Geld hat, der würde weiter von der Gebühr befreit. Diejenigen aber, die sich mit jedem Zipperlein ins Wartezimmer setzen, würden sich überlegen, ob sie wirklich in die Praxis müssen.

Quelle: Welt Online