Management und Arbeitnehmer des Autobauers sind sich einig, dass sich etwas ändern muss. Die Frage nach dem Wie ist umstrittener denn je.

Rüsselsheim. Das Management von Opel plant einen noch radikaleren Kahlschlag als bislang angenommen. Gut informierte Kreise ließen am Donnerstag verlauten, das Aus zweier Werke reiche nicht, um den vorgesehenen massiven Stellenabbau umzusetzen. Am Mittwoch hatte der Aufsichtsrat der Adam Opel AG über den neuen Geschäftsplan von Firmenchef Karl-Friedrich Stracke debattiert. Dabei kam dem Vernehmen nach nur eines heraus: Dass der Plan allen Seiten missfällt. Somit stehen nun zähe Verhandlungen bevor.

Einige Details aus Strackes Streichliste waren schon vor der Sitzung des Kontrollgremiums an die Öffentlichkeit gelangt. Für die Belegschaft verheißt das wenig Gutes. Vorgesehen ist ein neuer Sparkurs mit Werksschließungen, Stellenstreichungen und Lohnverzicht.

„Der Geschäftsplan sieht auch nach 2014 erhebliche Arbeitnehmerbeiträge vor“, berichteten Insider am Donnerstag. Bis dahin verzichten die verbliebenen 40 000 Opelaner in Europa jährlich auf 265 Millionen Euro – ihr Beitrag aus dem jüngsten Sanierungsplan zur Rettung des Autobauers.

Zudem sollen künftig mehr Autos in Korea gebaut und nach Europa importiert werden. Auch eine Verlagerung der Fertigung ins kostengünstige Polen fasse das Opel-Management ins Auge. Die Folge: Werke in Westeuropa werden überflüssig, zumal Stracke einen Dreischichtbetrieb zur Regel machen will.

Die Verlagerung in günstigere Länder hält Auto-Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler schon länger für überfällig: Deutschland sei mit seinen hohen Kosten kein Standort für die Billigmarke Opel.

Zwar wies das Unternehmen am Donnerstag Gerüchte zurück, wonach ein Investor für den Standort Eisenach gesucht würde: „Diese Spekulationen entbehren jeder Grundlage und sind falsch. Es gibt keine Pläne, das Werk Eisenach zu verkaufen.“ Doch dass die Kosten gesenkt und die Kapazitäten gekappt werden müssen, ist unbestritten. Schon mehrfach hatte Stracke erklärt, dass Werkschließungen kein Tabu sein dürften.

Denn die Fabriken sind bei weitem nicht ausgelastet, obwohl die Kapazitäten gerade erst um ein Fünftel gekappt wurden. Der Sanierungsplan von 2010 ist längst überholt, weil Opels einziger bedeutender Absatzmarkt Europa schrumpft und schrumpft. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer ist überzeugt: „Opel-Vauxhall läuft nur mit 70 Prozent seiner Kapazität und erzeugt damit im Jahr 2012 höhere Verluste als im Jahr 2011.“ Vor allem die Werke Bochum und Ellesmere Port in England gelten als Wackelkandidaten.

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Die Arbeitnehmervertreter werfen dem Management vor, Opel zu Tode zu sparen. Zumal sich die Abwärtsspirale seit zwei Jahrzehnten dreht, der nachhaltige Erfolg aber ausbleibt. Daher forderte NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) am Donnerstag eine „klare Vorwärtsstrategie“. Konzepte, die nur auf Kostenreduzierung basierten, führten nicht weiter, sagte er „Handelsblatt Online“.

Auch aus Sicht der Arbeitnehmer kann Opel nur mit einer breiteren Modellpalette und Investitionen in Technologien zurück auf die Erfolgsspur kommen. Zudem müsse Opel seine Autos in spürbaren Stückzahlen in Boommärkte wie China, Indien oder Brasilien exportieren dürfen. Diese Forderung soll der neue Geschäftsplan aber eher halbherzig berücksichtigen. Es scheint, als scheue die US-Mutter General Motors davor zurück, hohe Summen in Marketing und Vertrieb zu stecken – zumal GM Kannibalismus unter den Konzernmarken fürchtet.

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Die Zeit drängt, eine schnelle Lösung scheint angesichts der tiefen Gräben aber unwahrscheinlich, auch weil es um nichts weniger als die Zukunft des Traditionsherstellers geht.

Betriebsrat und IG Metall kündigten bereits einen harten Kampf an, sollte die Geschäftsführung Bochum tatsächlich dichtmachen wollen. Opel und GM müssten sich auf ihre teuerste Werksschließung aller Zeiten gefasst machen. Dudenhöffer hält das Kostenargument allerdings für überzogen. Würden für die 3200 Opelaner aus Bochum ebenso viele im polnischen Werk Gleiwitz eingestellt, könnten jedes Jahr Millionen gespart werden, rechnet er vor: „In weniger als drei Jahren hätte GM die Abfindungszahlungen durch niedrige Löhne in Polen annulliert.“ (dpa/abendblatt.de)