Die Finankrise im Euro-Raum macht der Wirtschaftsmacht China zu schaffen – die Staatsfinanzen leiden. Exportnachfrage bleibt düster.

Peking. Die Wirtschaftsmacht China erwartet weniger Wachstum und erschreckt mit ungewohnt pessimistischen Tönen die Finanzmärkte. Wegen der Folgen der Euro-Schuldenkrise für die globale Wirtschaft gab Ministerpräsident Wen Jiabao nur noch 7,5 Prozent Wachstum als Ziel für 2012 vor – der niedrigste Wert seit acht Jahren.

Zum Auftakt der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking rief der Regierungschef dazu auf, die heimische Nachfrage stärker anzukurbeln. 2011 war die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde noch um 9,2 Prozent gewachsen und galt damit als Motor der Weltkonjunktur. Die Börsen reagierten bis zum Nachmittag weltweit mit Kursrückgängen.

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Kritisch beschrieb Wen Jiabao das bislang rasante, oft sogar zweistellige wirtschaftliche Wachstum in China als „unausgewogen, unkoordiniert und nicht aufrechtzuerhalten“. Die Entwicklung müsse „stärker nachhaltig und effizienter“ werden, sagte er in seinem fast zweistündigen Rechenschaftsbericht. Die Krise setzt aber auch die Staatsfinanzen unter Druck. Bei der Vorlage des Haushalts vor den 3000 Delegierten warnte das Finanzministerium vor „bedeutenden Ungleichgewichten zwischen Einnahmen und Ausgaben“.

Hatte sich die Finanzlage 2011 noch besser als erwartet entwickelt, sehe sich China in diesem Jahr einer „schwierigen Lage“ gegenüber, meinten die Haushaltshüter. Das Defizit im Staatshaushalt werde 800 Milliarden Yuan (heute 96 Mrd Euro) oder 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Im Vorjahr hatte es allerdings noch bei 1,8 Prozent gelegen. Das Finanzministerium warnte den Volkskongress vor den anhaltenden globalen Unsicherheiten.

Wegen der Schuldenkrise in Europa und der schlechten Konjunktur in den USA sind auch die Aussichten für die Exportindustrie ungünstig. In diesem Jahr soll sich der Zuwachs des Außenhandels auf nur noch zehn Prozent halbieren, sagte die Reform- und Entwicklungskommission NDRC voraus. 2011 hatte er noch um 22,5 Prozent zugelegt.

„Das Umfeld für die weltweite wirtschaftliche Entwicklung als Ganzes wird sich in diesem Jahr nicht spürbar verbessern“, heißt es in dem Bericht für den Volkskongress. „Unsere Exporte stehen vor einer düsteren Situation mit wachsendem Protektionismus im Handel und bei Investitionen sowie schwacher externer Nachfrage.“

Die Ausfälle sollen mit einer Ankurbelung des heimischen Konsums ausgeglichen werden. „Wir werden hart arbeiten, um das Wachstum in der Verbrauchernachfrage zu sichern“, versprach das mächtige Wirtschaftslenkungsorgan. Die Einzelhandelsumsätze sollen 2012 um 14 Prozent steigen. Die unteren Einkommen sollen erhöht, die Mindestlöhne und Pensionen gesteigert sowie das Gehaltssystem in Regierungsinstitutionen verbessert werden. Die Anlageinvestitionen sollen in diesem Jahr um 16 Prozent landesweit wachsen.

China müsse ein Gleichgewicht zwischen Wachstum, Umstrukturierung der Wirtschaft und Kontrolle der Inflation finden, forderte der Haushaltsentwurf. Die Finanzpolitik müsse „gezielter, flexibler und vorausschauender“ gestaltet werden. Die Einnahmen der zentralen und lokalen Haushalte sollen um 9,5 Prozent auf 11,36 Billionen Yuan (1,36 Bio Euro) steigen. Dagegen werden die Ausgaben deutlich stärker um 14,1 Prozent auf 12,43 Billionen Yuan (1,49 Bio Euro) zulegen.

Die Haushalte für Bildung, Soziales, Beschäftigung oder Gesundheitswesen steigen mit 15 bis 17 Prozent überdurchschnittlich stark. Die Ausweitung des Renten- und Krankenversicherungssystems sowie Investitionen in sozialen Wohnungsbau erforderten beträchtliche zusätzliche Ausgaben, heißt es in dem Entwurf. Die Delegierten werden den Haushalt zum Abschluss ihrer zehntägigen Sitzung am 14. März mit den anderen Berichten annehmen. (dpa/abendblatt.de)