Erstmals seit 15 Jahren hoffen Konzerne wieder auf mehr Umsatz. Legaler Kauf von Titeln im Internet nimmt zu und gleicht Rückgang bei CD-Absatz aus.
München. Vor 15 Jahren hat das Internet begonnen, die Musikindustrie zu fressen. Unaufhaltsam ging es seitdem mit legalen Umsätzen durch den Verkauf von Tonträgern bergab. Weil illegale Downloads den Musikkonzernen immer mehr das Wasser abgegraben haben. 2012 ist die Wende in greifbarer Nähe. Schon voriges Jahr kam die Erosion der CD-Verkäufe als hierzulande immer noch tragender Säule des Geschäfts fast zum Erliegen. Um gut ein Viertel sprunghaft gewachsene legale Downloads haben das kleine Minus erstmals kompensiert. "Wir freuen uns sehr über die stabile Marktentwicklung", sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI), Florian Drücke.
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Knapp 1,5 Milliarden Euro dürfte 2011 der Umsatz mit legal verkaufter Musik gebracht haben, so viel wie im Jahr zuvor. Wenn die Trends anhalten, ist 2012 erstmals wieder Wachstum drin, hofft man beim Verband, wagt es aber noch nicht laut zu sagen. "Bei allen Erfolgen dürfen wir nicht vergessen, dass sich das Marktvolumen in den vergangenen Jahren nahezu halbiert hat", sagt Verbandschef Dieter Gorny. Das Wort Trendwende will er nicht in den Mund nehmen.
Kollegen aus aller Welt sind weniger zurückhaltend. "Statt Gegenwind haben wir jetzt Rückenwind", jubelt Edgar Bender, der für das internationale Geschäft von Sony Music zuständig ist. "Wir haben allen Grund zum Optimismus", assistiert Francis Moore als Chef des Weltverbands der Musikindustrie IFPI. 16,2 Milliarden Dollar (12,3 Milliarden Euro) hat die Branche nach ihrem Report 2011 umgesetzt, nur noch drei Prozent weniger als das Jahr zuvor. Das gilt in der lange leidenden Musikindustrie schon als Erfolg.
Digitale Verkäufe in Form legaler Downloads stiegen 2011 um acht Prozent auf 5,2 Milliarden Dollar , während CD-Verkäufe um knapp ein Zehntel auf rund elf Milliarden Dollar schrumpften. Damit wurde global ein Drittel aller Musik per Internet verkauft, Tendenz steigend. Auf dem weltgrößten Musikmarkt USA war es schon 2011 erstmals so weit, dass digitale Verkäufe mehr als die Hälfte des Geschäfts gebracht haben. Die Branche führt das vor allem darauf zurück, dass es immer mehr legale Quellen für Musikdownloads gibt. Das vergangene Jahr habe hier einen deutlichen Sprung nach vorn gebracht. Waren es Anfang 2011 noch 23 Länder mit großen, legalen Verkaufsplattformen im Internet wie iTunes oder Spotify, ist die Abdeckung ein Jahr später auf 58 Länder gestiegen. Allein in Deutschland gibt es mittlerweile rund 70 legale Musikdienste, die unter der Internetadresse www.pro-music.org aufgelistet sind.
Legale Musikverkäufe stehen aber auch deshalb vor einer Trendwende zum Besseren, weil international der Kampf gegen Internetpiraterie wirkt. Als Vorbild nennt die Musikindustrie Frankreich. Dort warnt ein Flackern auf dem Bildschirm die Musikfans, wenn sie einen illegalen Download starten, beschreibt der BVMI das System, das sich Verbandschef Gorny auch für Deutschland wünscht.
Diese unmittelbare Erfahrung, erwischt werden zu können, wo man sich lange völlig sicher wähnte, schreckt ab, wird in der Szene bestätigt. "Die meisten würden nichts Illegales mehr runterladen, wenn sie so einen Hinweis sehen", sagt ein deutscher Jugendlicher. In Frankreich sanken die Urheberrechtsverletzungen nach der Einführung des Warnmodells immerhin um ein Viertel, sagt der BVMI. Das bedeutet zwei Millionen weniger Raubkopierer.
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In Deutschland werden die Daumenschrauben für Internetpiraten allerdings nicht angezogen, sagt ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. Zwar werde der Bund bald das internationale Acta-Abkommen gegen Raubkopien aller Art unterzeichnen. Handlungsbedarf oder gar Netzsperren bei illegalen Downloads löse das aber nicht aus. Warum derzeit auch in der Bundesrepublik im Internet eine Protestwelle gegen Acta woge, sei unverständlich.
Die Zurückhaltung Deutschlands erklärt auch, warum die Musikindustrie offiziell noch keine Trendwende vorhersagen mag. "Die Internetpiraterie ist nach wie vor der größte Hemmschuh", sagt BVMI-Geschäftsführer Drücke. Deutschland gerate bei der Durchsetzung von Urheberrechten international ins Hintertreffen, warnt er. Möglicherweise reicht es 2012 dennoch für das erste Umsatzplus seit 1997.