Arbeitslosigkeit steigt um 8,1 Prozent. Experten sehen saisonale Gründe als Ursache. Noch 15 000 offene Stellen

Hamburg. Von einem Monat zum anderen gibt es in Hamburg 5500 Arbeitslose mehr - ein Plus von 8,1 Prozent. Nach einer Übersicht der Arbeitsagentur handelt es sich vor allem um Bauarbeiter, Architekten, Kraftfahrer und Verkäufer. Allein die Bereiche Bau, Architektur und Gebäudetechnik, die von der Arbeitsagentur zusammengefasst werden, verzeichnen 13,3 Prozent mehr Arbeitslose als im Dezember 2011.

Der Hamburger Verband Straßengüterverkehr und Logistik sieht eine "leichte Delle", wie Geschäftsführer Frank Wylezol dem Abendblatt sagt. "Bei Baustellen- und Containertransporten gibt es im Moment weniger zu tun." Doch Fahrer, die jetzt entlassen wurden, hätten gute Chancen, schon im Frühjahr wieder eingestellt zu werden.

Andere Branchen wollen den Trend zu mehr Arbeitslosen nicht bestätigen. "Es gibt andere Mittel als Entlassungen, um witterungsbedingte Einbußen auszugleichen", sagt Peter Wagenmann vom Bauindustrieverband Hamburg Schleswig-Holstein. "Wir suchen eher händeringend Fachverkäufer, als dass sie entlassen werden", sagt Wolfgang Linnekogel, Hauptgeschäftsführer des Hamburger Einzelhandelsverbands. Zwar verzeichnet die Statistik mit zusammen 5500 Verkäufern und Verkaufshilfen sehr viele Jobsuchende im Einzelhandel. Doch Linnekogel hält die Statistik für wenig aussagekräftig: "Ich vermute bei diesem Personenkreis sehr große Vermittlungshemmnisse."

Mit dem jüngsten Anstieg bei den Jobsuchenden ist die Marke von 70 000 Arbeitslosen wieder überschritten. Im Januar waren 72 850 Hamburger arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote beträgt 7,8 Prozent. Diese Entwicklung schreibt Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock dem Stichtag 31.12. zu: "Zu diesem Zeitpunkt laufen viele befristete Verträge aus." Das betreffe fast alle Branchen. Nach Angaben der Gewerkschaft erfolgt jede zweite Neueinstellung nur befristet.

Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit im Januar ist im langjährigen Durchschnitt nicht ungewöhnlich. "In diesem Jahr fällt er zudem geringer aus als im Vorjahr", sagt Fock. So hatte Hamburg von Dezember 2010 auf Januar 2011 einen Zuwachs von 8231 Arbeitslosen zu verzeichnen, was einem Anstieg von 12,1 Prozent entspricht. Ab März rechnet Fock wieder mit einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt.

Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die Arbeitslosigkeit in Hamburg um 4,7 Prozent zurückgegangen. Fock sieht gute Chancen, dass die neu hinzugekommenen Arbeitslosen schnell wieder eine Beschäftigung finden. "Die Arbeitskräftenachfrage bleibt in Hamburg hoch", sagt er. Allein im Januar wurden 3342 neue Jobs gemeldet. Insgesamt verfügt die Arbeitsagentur über 15 000 offene Stellen.

"Ich appelliere an die Arbeitgeber, ihre freien Stellen über die Arbeitsagentur zu besetzen", sagt Fock. "Wer jetzt arbeitslos geworden ist, will schnell wieder in einen neuen Job und verfügt über Berufserfahrung." Das seien Voraussetzungen, auf die die Arbeitgeber viel Wert legten.

Denn ohne Ausbildung ist es nach wie vor schwierig, einen Job zu finden. Von den 53 000 Arbeitslosen, die im Jobcenter betreut werden, haben 65 Prozent keine abgeschlossene Berufsausbildung. Immerhin suchen in Hamburg insgesamt 128 000 Personen einen Job (siehe Tabelle). Doch viele werden in der offiziellen Statistik nicht erfasst.

Bundesweit gibt es mit 3,082 Millionen Jobsuchenden die niedrigste Arbeitslosigkeit in einem Januar seit insgesamt 21 Jahren. Die Zahl der Arbeitslosen stieg um 302 000 Personen. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im Vergleich zum Dezember um 0,7 Punkte auf 7,3 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 7,9 Prozent gelegen. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, führte den Anstieg ebenfalls auf die Jahreszeit zurück. Wegen des frostigen Winterwetters ruhte auf vielen Baustellen die Arbeit. "Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben weiter deutlich zugenommen, und die Nachfrage nach Arbeitskräften lag auf hohem Niveau", sagte Weise.

BA-Chef Weise rechnet weiterhin mit einer Arbeitslosenzahl von knapp unter drei Millionen im Jahresdurchschnitt. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) tut sich schwer mit Voraussagen: "Die Konjunkturindikatoren geben unterschiedliche Signale. Vieles steht unter dem Vorbehalt der Schuldenkrise." Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler bewertete die Lage am Arbeitsmarkt als erfreulich robust. "Der Arbeitsmarkt legt keinen Winterschlaf ein", sagte der FDP-Chef.