Zu beneiden ist Friedhelm Siepe um seinen neuen Job nicht, umso mehr Respekt verdient er. Der Leiter des Jobcenters Hamburg hat eine schwere, fast unlösbare Aufgabe. Er soll Menschen in Arbeit bringen, die am unteren Ende unserer Wohlstandsgesellschaft stehen. Langzeitarbeitslose, Menschen mit Drogen- und schweren Familienproblemen sowie junge Erwachsene ohne Schulabschluss zählen zu Siepes Klientel. Sie gelten als kaum vermittelbar - und das Gros taucht nicht einmal mehr in der offiziellen, zum Teil geschönten Arbeitslosenstatistik auf. Um insgesamt 130 000 Hamburger sollen sich Siepe und sein Team nun kümmern, ihnen eine berufliche Perspektive geben. Doch wenn das Jobcenter aktiv werden muss, ist es oft schon zu spät.
Dass fast jeder zehnte Jugendliche in Hamburg ohne Abschluss die Schule verlässt, ist ein unhaltbarer Zustand. Hier sind Eltern, Pädagogen und Politiker gefordert. Denn die Schulabbrecher und -schwänzer von heute sind die Jobcenter-Kunden von morgen. Es ist viel zu einfach, die schulischen Probleme gebetsmühlenartig auf mangelhafte Deutschkenntnisse und kulturelle Unterschiede zu schieben. Analysen hat es in der Vergangenheit genug gegeben, es wird Zeit für Lösungen.
Zudem muss eine Leistungsgesellschaft akzeptieren, dass nicht jeder das eingeschlagene hohe Tempo mitgehen kann. Deshalb muss es in der von Konkurrenzkampf und Leistungsdruck geprägten Arbeitswelt auch Nischen für Schwächere geben. Das Jobcenter kann diese aufzeigen, schaffen müssen sie die Unternehmen.