Eigentlich galten der Franzose Benoit Coeure und der Deutsche Jörg Asmussen als Favoriten auf den Posten bei der Europäischen Zentralbank.

Frankfurt/Main. Überraschung bei der EZB: Peter Praet wird überraschend neuer Chefvolkswirt. Die Europäische Zentralbank (EZB) bestätigte am Dienstag entsprechende Meldungen. Eigentlich war erwartet worden, dass entweder der Franzose Benoit Coeure oder der Deutsche Jörg Asmussen neuer Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der Notenbank wird.

Den Informationen zufolge soll Coeure nun die Abteilung Märkte übernehmen, die die umstrittenen Staatsanleihenkäufe der EZB koordiniert. Asmussen solle das Ressort Internationales erhalten und unter anderem bei der Eurogruppe und bei den G20 Notenbankchef Mario Draghi vertreten. Außerdem werde ihm der Bereich Recht übertragen.

Praet ist seit Juni bei der EZB und war vorher bei der Zentralbank seines Heimatlandes. Coeure, bisher Chefvolkswirt im Pariser Finanzministerium, und Ex-Finanzstaatssekretär Asmussen sind seit dem Jahreswechsel Mitglieder des obersten Führungsgremiums der Notenbank. Sie ersetzen den bisherigen Chefvolkswirt Jürgen Stark, der im September seinen Rückzug angekündigt hatte, und den Italiener Lorenzo Bini Smaghi, der an die US-Eliteuniversität Harvard wechselt.

Bundesbank-Chef warnt vor Anleihenkäufe durch EZB

Das sechs Personen starke EZB-Direktorium leitet das Tagesgeschäft der Notenbank. Es besteht aus dem Präsidenten Mario Draghi, seinem Vize Vitor Constancio und vier weiteren Mitgliedern – neben Coeure und Asmussen noch den Spanier Jose Manuel Gonzalez-Paramo und den Belgier Praet. Die Amtszeit aller Mitglieder beträgt acht Jahre und ist nicht verlängerbar. Einem ungeschriebenen Gesetz zufolge sind die größten Euro-Länder, also Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien stets mit einem Sitz vertreten. Allerdings haben zuletzt einige kleinere Länder dies in Frage gestellt. Ihre nächste Chance käme im Frühjahr: Ende Mai läuft der Vertrag von Gonzalez Paramo turnusmäßig aus. Der Spanier ist bislang für das Ressort Finanzmärkte zuständig.

Das Direktorium war in der Vergangenheit immer wieder ein Spielfeld politischer Interessen. So musste etwa der erste Präsident der EZB, der Niederländer Wim Duisenberg, bereits nach vier Jahren seinen Platz für den Franzosen Jean-Claude Trichet räumen, weil Frankreich den Posten beanspruchte, da umgekehrt Deutschland den Zuschlage bei der Frage des Sitzes der EZB - eben Frankfurt – bekommen hatte. Um dennoch möglichst wenig politische Einflussnahme zuzulassen und zudem für Kontinuität zu sorgen, wurden die Amtszeiten der allerersten EZB-Direktoren im Jahresturnus gestaffelt. So musste der erste EZB-Vizepräsident, der heutige französische Notenbankgouverneur Christian Noyer, bereits 2002 wieder gehen, während der erste Chefvolkswirt der noch jungen Zentralbank, der Würzburger Ökonomieprofessor Otmar Issing, acht Jahre im Amt bleiben durfte.

Durcheinander gewirbelt wurde die Postenrotation jetzt durch den Rückzug von Jürgen Stark und den aufgrund des auf politischen Druck wegen der Änderung bei der Besetzung des Präsidentenstuhls zustande gekommenen Wechsel des Italieners Lorenzo Bini Smaghi an die Universität Harvard. Stark hätte noch bis Mitte 2014 im Amt bleiben können, Bini Smaghi bis Mitte 2013. Damit entsteht nun bald eine Situation, die die Gründerväter der EZB eigentlich unbedingt vermeiden wollten: nach dem Abgang Golzalez Paramos Ende Mai wird der portugiesische Vizepräsident Vitor Constancio das dienstälteste Direktoriumsmitglied sein – Dienstalter: gerade einmal zwei Jahre.

+++ Die EZB kauft wieder vermehrt Staatsanleihen +++

So einflussreich das Direktorium der EZB im Alltag auch sein mag – in einem so komplexen und dezentralen Gebilde wie Europa und der europäischen Währungsunion hat es dann doch weniger Macht als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Alle für die gemeinsame Währung, die Geldpolitik und den Kampf gegen die Krise relevanten Entscheidungen fällt der EZB-Rat, in dem neben den sechs Direktoren auch die nationalen Notenbankchefs der aktuell 17 Euro-Länder sitzen. Wer dort eine Mehrheit hinter sich bringt, bestimmt die Euro-Geldpolitik. Bundesbank-Chef Weidmann versucht in diesem Gremium, Allianzen für eine am Vorbild der Bundesbank ausgerichtete stabilitätsorientierte Geldpolitik zu schmieden. Die Mehrheit geht derzeit aber meist andere Wege. (rtr)