Rohschinken, der aus Stücken zusammengeklebt wurde: Der Bauernverband sieht dadurch das Image der Lebensmittel-Qualität gefährdet.
Berlin. Der von Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) kritisierte Schinken aus Klebefleisch kommt bei den Bauern nicht gut an. Sie befürchten einen Imageschaden. „Die deutschen Bauern stehen für Klarheit und Wahrheit bei der Lebensmittelerzeugung“, erklärte der Deutsche Bauernverband in Berlin.
Deshalb hätten sie kein Verständnis, wenn es durch Imitate, Fälschungen oder fehlende Kennzeichnung zu einem Imageschaden für die Lebensmittelqualität komme. Bei „Klebeschinken“ geht es um den Verdacht, dass Hersteller Teile von rohem Schinken mit Hilfe von Enzymen zusammensetzen, dies aber nicht kennzeichnen.
Die ARD hatte über Fälle von Klebeschinken berichtet. Aigner warnte daraufhin die Lebensmittelindustrie vor einer Täuschung Klebe-Schinken. Mehrere Hersteller stehen im Verdacht, Schinkenteile zusammenzukleben, ohne dies zu kennzeichnen. Schärfere Gesetze stehen bei Aigner allerdings nicht zur Debatte. Für die Unionsfraktion ist das Maß dagegen voll. „Die immer länger werdende Liste der Skandale zeigt, dass Aufforderungen und Ermahnungen alleine bei der Lebensmittelindustrie nicht mehr fruchten“, sagte der Verbraucherschutzexperte der CDU/CSU im Bundestag, Peter Bleser (CDU). „Wir brauchen strengere gesetzliche Regelungen.“
Das Verbraucherministerium fordert zunächst Aufklärung. „Alle Lebensmittel in Deutschland müssen so gekennzeichnet sein, dass eine Irreführung der Verbraucher ausgeschlossen ist“, sagte ein Ministeriumssprecher. Der immer schärfere Preiskampf zwischen den großen Discountern drohe langfristig zu Lasten der Qualität zu gehen.
Das NDR-Magazin „Markt“ und die ARD-Sendung „Plusminus“ hatten berichtet, dass in sechs von 13 untersuchten Rohschinken-Produkten Schinkenscheiben waren, die mit Hilfe von Enzymen aus Teilen zusammengeklebt wurden. Die Produkte seien nicht als Formschinken gekennzeichnet, sondern zum Beispiel als Nuss- oder Lachsschinken.
Der NDR beruft sich auf Untersuchungen der Freien Universität Berlin. Der Hersteller Gutfried hatte erklärt, sein Schinken sei frei vom Enzym Transglutaminase und einwandfrei deklariert. Der NDR berichtete allerdings, das Enzym werde erst seit April 2010 nicht mehr eingesetzt.
Nach Angaben der Verbraucherorganisation Foodwatch ist es in Deutschland möglich, herausgelöste Muskelfleischstücke ohne besonderen Hinweis zu größeren Schinken zusammenzufügen. Dagegen müssen Erzeugnisse, die ganz oder teilweise aus kleineren Teilen hergestellt sind, ausreichend gekennzeichnet werden. Das geht aus dem Lebensmittelbuch hervor, einer Sammlung von Expertenempfehlungen.
Der Chef des Bundestags-Verbraucherausschusses, Hans-Michael Goldmann (FDP), warf einigen Herstellern vor, „immer noch nicht ansatzweise mit offenen und vor allem fairen Karten gegenüber den Konsumenten“ zu spielen.