Hamburg. Als Anfang der 1980er-Jahre der 190er-Mercedes auf den Markt kam, war dies der erste Vorstoß von Daimler in die Welt der Fahrzeuge unterhalb der Käuferschicht, die sich einen Fahrer leisten kann. Die Medien sprachen damals vom Baby-Benz. Die Zusammenarbeit, die Daimler jetzt mit Renault angeht, wird noch einmal eine neue Dimension für den Stuttgarter Premiumhersteller bringen: den ersten Kleinwagen von Mercedes.
Der Grund für die deutsch-französische Freundschaft, die gestern bei Renault noch einmal im Verwaltungsrat auf den Weg gebracht wurde und schon heute offiziell bekannt gegeben wird, ist laut Branchenkennern eine einfache Rechnung: Daimler kann mit seiner Flotte, die heute volumenmäßig von der C-Klasse, also dem Nachfolger des 190ers, und der E-Klasse dominiert wird, die Anforderungen der EU an den Schadstoffausstoß nicht erfüllen. Das Ziel der EU liegt ab dem Jahr 2012 bei 120 Gramm pro Kilometer. Daimler kommt bisher noch auf 160 Gramm.
Kern des geplanten Bündnisses von Daimler und Renault dürfte also die Zusammenarbeit bei Klein- und Kompaktwagen sein. Denkbar ist dabei, dass die Konzerne ihre Modelle Smart und Twingo künftig auf der gleichen Plattform bauen. Der Smart als Viersitzer war ein Flop und könnte von der Erfahrung eines Kleinwagenanbieters wie Renault profitieren. Noch im März war der Absatz des Smarts um 21,1 Prozent auf 22 800 Pkw eingebrochen, während der Verkauf der Mercedes-Modelle weltweit um 8,6 Prozent auf 119 900 Pkw anstieg.
Neben Fahrzeugen könnten die Konzerne gemeinsam Motoren entwickeln, die etwa in der A- und B-Klasse von Daimler eingesetzt werden. In das Bündnis dürfte Renault auch seine japanische Tochter Nissan einbringen, an der der französische Autobauer rund 44 Prozent hält. Daimler hatte bereits Anfang März eine Kooperation mit dem chinesischen Autohersteller BYD zur Produktion eines Elektroautos für China angekündigt. Daneben ist Daimler am US-Elektroautobauer Tesla mit zehn Prozent beteiligt.
Nicht nur die schärferen Regeln der EU beim Klimaschutz, auch der Trend zum Elektromotor gelten derzeit in der weltweiten Autoindustrie als Triebfeder für Kooperationen. Bei einer möglichen Allianz von Renault und Daimler wird allerdings auch der französische Staat ein Wort mitreden, denn er ist größter Anteilseigner des Autobauers. So zeigte der französische Industrieminister Christian Estrosi den Konzernchefs Carlos Ghosn und Dieter Zetsche schon gestern, noch vor der offiziellen Unterzeichnung ihrer Partnerschaft, Grenzen auf. Frankreich fordere, dass das Bündnis Arbeitsplätze in Frankreich schaffe, sagte er. Außerdem müsse der Staat mit 15 Prozent größter Renault-Aktionär bleiben. Die geplante finanzielle gegenseitige Beteiligung der Autobauer in Höhe von etwa drei Prozent sei aber ohnehin nur "symbolisch" gemeint, hieß es gestern aus Stuttgart.
Daimler sucht seit Längerem einen Partner, um seine Stellung im internationalen Wettbewerb zu verbessern. Zetsche steht unter Druck. Er muss eine tragfähige Zukunftsstrategie präsentieren, um den Autobauer nach dem Abrutschen in tiefrote Zahlen wieder auf Kurs zu bringen. Der Hersteller Renault, der laut Konzernchef Ghosn seinerseits "zusätzliche Synergien" sucht, könnte der richtige Partner sein. Denn während Zetsche sich in den USA mit Chrysler eine blutige Nase holte, schmiedete Renault-Chef Ghosn mit den Japanern von Nissan die erfolgreichste globale Verbindung im Autobereich. Er führte mit großem Erfolg die globalen Strategien und Technologien der Schwesterkonzerne zusammen. Dabei propagierte er - anders als Daimler bei Chrysler oder davor auch bei Mitsubishi - die kulturelle Eigenständigkeit der Partner.