Mehr Aufträge und Umsatz. Allerdings noch keine Entwarnung für den Arbeitsmarkt. Sorgenkind bleibt weiterhin die Chemie.

Hamburg. Mit den milderen Temperaturen verbessert sich auch die Stimmung in der deutschen Wirtschaft. Darauf deuten die jüngsten Daten wichtiger Konjunkturindikatoren hin. So stieg der Ifo-Geschäftsklimaindex überraschend deutlich und erreichte schon beinahe wieder das Niveau vom Sommer 2008, kurz vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise. Sogar der Konsumklima-Index der Nürnberger GfK konnte zuletzt den seit fünf Monaten anhaltenden Abwärtstrend stoppen. Vor diesem Hintergrund fragte das Abendblatt in den großen Hamburger Branchen nach den Geschäftsperspektiven für 2010.

Mit Containerriesen aus der Krise fahren

Industrie

"Die Industrie blickt optimistisch in die Zukunft", sagte Marc März, stellvertretender Geschäftsführer des Industrieverbands Hamburg. Die Unternehmen im Norden seien sehr exportorientiert und profitierten von der weltweiten Wirtschaftserholung umso stärker. Ein leichtes Plus bei Produktion und Kapazitätsauslastung verzeichnet auch Nordmetall-Hauptgeschäftsführer Thomas Klischan. Er schränkte jedoch ein: "Wir nehmen ein paar Stufen nach oben, aber wir sind immer noch auf der Kellertreppe." Im Hinblick auf die Produktion und die Auftragseingänge liege man noch um rund 20 Prozent hinter den Spitzenwerten vom Jahresanfang 2008 zurück. Aus diesem Grund erwartet Klischan einen leichten Abbau der Beschäftigung.

Einzelhandel

"Wir blicken durchaus positiv gestimmt auf die nächsten Monate", sagte Ulf Kalkmann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Hamburg. Zwar lägen die Umsätze schon wegen des harten Winterwetters unter dem Vorjahresniveau. Aber mit dem Ende der frostigen Temperaturen sei "der Knoten geplatzt". Kalkmann geht davon aus, dass der Abwärtstrend bei den Arbeitsplätzen gestoppt ist.

Groß- und Außenhandel

Als "verhalten optimistisch" bezeichnet Volker Tschirch, Hauptgeschäftsführer des AGA Unternehmensverbands, die Stimmung im norddeutschen Groß- und Außenhandel. "Dank der sich langsam erholenden Weltwirtschaft und des niedrigen Euro gewinnt der Exporthandel wieder deutlich an Schwung." Dem Handel zwischen den produzierenden Betrieben fehle jedoch die Dynamik. Im Hinblick auf die Beschäftigungsentwicklung in der Branche erwartet Tschirch für 2010 eine "schwarze Null".

Logistik

Einen "Silberstreif am Horizont" erkennt Gernot Lobenberg, Leiter der Logistik-Initiative Hamburg. Er verweist auf Prognosen, wonach dieser Wirtschaftszweig im aktuellen Jahr ein Umsatzplus von zwei bis drei Prozent erreichen dürfte. Der "große Durchbruch" sei aber noch nicht da, so Lobenberg: "Man rechnet damit, dass wir erst 2013 oder 2014 wieder die Zahlen des Jahres 2008 erreichen." Ein ermutigendes Resultat einer Umfrage unter Logistikbetrieben im Norden: "Es wollen in diesem Jahr mehr Firmen einstellen als Stellen abbauen."

Bauindustrie

Mit dem Wort "durchwachsen" charakterisiert Gerald Seher, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands Hamburg, die Perspektiven der Branche. Belastend wirke nicht zuletzt die "schwierige Haushaltssituation" in Hamburg und in Schleswig-Holstein. Abgesehen von Projekten, die aus den Konjunkturpaketen finanziert werden, schränke die öffentliche Hand die Investitionen ein - trotz des enormen Bedarfs, den schon die Schlaglöcher in den Straßen deutlich machten. In Hamburg ruhe die Hoffnung auf den Hafenausbau. Nach einem starken Rückgang der Beschäftigung in den Jahren bis 2007 strebe man an, die Belegschaften konstant halten zu können.

Hafen

"Die Talsohle ist durchschritten, aber wir haben schwierige Jahre vor uns", sagte Norman Zurke, Geschäftsführer des Unternehmensverbands Hafen Hamburg. "Erst Ende 2011 dürften wir wieder in sichereres Fahrwasser kommen und erst 2014 die Zahlen aus der Zeit vor der Krise erreichen." Es werde wohl nicht in jedem Fall gelingen, alle Beschäftigten an Bord zu behalten.

Handwerk

Das Jahr 2010 werde "mit Skepsis betrachtet", erklärte Ina Diepold, Sprecherin der Handwerkskammer Hamburg. Nachdem man das Jahr 2009 ohne größere Einbrüche überstanden habe, gebe es die Befürchtung, dass die Krise erst in diesem Jahr im Handwerk ankommt.

Chemie

"Der Norden hat noch sehr schwer mit der Krise zu kämpfen", sagte Alexander Warstat, Sprecher des Arbeitgeberverbands ChemieNord. Es zeichne sich kein positiver Trend ab. Der Norden sei wegen des hohen Anteils an Zulieferern der Autoindustrie und der Bauwirtschaft überdurchschnittlich stark von der Krise betroffen gewesen. Bei den Arbeitsplätzen könne keine Entwarnung gegeben werden: "Laut einer Umfrage planen ein Fünftel der Mitgliedsunternehmen für 2010 einen Personalabbau."