Die Traditionswerft Blohm + Voss wird arabisch. Die rund 1700 Arbeitsplätze in Hamburg sind laut Unternehmen noch nicht gesichert.

Hamburg. Hamburgs Traditionswerft Blohm + Voss wird arabisch. Heute tagen der Blohm + Voss-Aufsichtsrat für die Bereiche Neubau, Reparatur und Maschinenbau sowie das ebenfalls betroffene Gremium der Kieler HDW und werden über den Verkauf an die Schiffbaugruppe Abu Dhabi Mar (ADM) entscheiden. Die Sitzung für die Werftenholding ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) schließt sich morgen an - damit wird der weitgehende Ausstieg des Düsseldorfer Stahlkonzerns aus dem zivilen Schiffbau besiegelt. Das Abendblatt sprach mit dem IG-Metall- Werften-Experten Heino Bade, dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der TKMS, über die Folgen des Verkaufs.



Hamburger Abendblatt: Wie stehen die IG Metall und die Betriebsräte zu dem Verkauf der drei Betriebe von Blohm + Voss?

Heino Bade: Wir sehen es zunächst positiv, dass sich ein Investor vor dem Hintergrund der Krise im maritimen Bereich engagiert.

Abendblatt: Dann werden auch die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten dem Verkauf zustimmen?

Bade: In den Gremien der einzelnen Betriebe wird es, soweit die Rahmenbedingungen stimmen, wohl ein positives Votum geben. Wir haben dafür eine Steinwerder Erklärung verfasst, mit der die Sicherung der Tarife über Entgelt und Arbeitszeit, des Standortes und der 1700 Arbeitsplätze bei Blohm + Voss geregelt werden. Sie soll für den Übergang und die darauf folgenden 24 Monate gelten. Allerdings gab es bis zum Freitagabend keine abschließende Einigung.

Abendblatt: Gilt für die Holding eine andere Sichtweise?

Bade: Es geht hier um eine beispiellose Transaktion sowohl für den Schiffbau als auch für die Rüstungsbranche. ThyssenKrupp Marine Systems bildet dann einen Konzern, der nur auf Rüstung ausgerichtet ist. Vor dieser Monostruktur hat die IG Metall immer gewarnt, weil wir nicht glauben, dass sie sich dauerhaft auslasten lässt. Es wird sehr schwer, die Beschäftigung zu sichern, zumal Militäraufträge jahrelange Vorlaufzeiten haben. Dazu wird aus ADM innerhalb von sieben Monaten aus dem Eigentümer einer Werft in Cherbourg und der ADM Nobiskrug in Rendsburg ein globaler Anbieter von maritimer Technologie. Bei uns herrscht große Skepsis, ob dieses Modell trägt.

Abendblatt: Was heißt das für den deutschen Militärschiffbau?

Bade: Zumindest werden die Arbeitsgemeinschaften für die Marineschiffe infrage gestellt. Die Zusammenarbeit zwischen Blohm + Voss und HDW auf der einen und den bisherigen Partnern Lürssen oder der Bremer Hegemann-Gruppe auf der anderen Seite müssen wohl neu geordnet werden.

Abendblatt: Grundsätzlich besteht seit Oktober Einigkeit darüber, dass ADM 1400 Beschäftigte der drei Blohm + Voss-Betriebe zu 80 Prozent übernimmt und im neuen Systemhaus Blohm + Voss Naval für militärische Projekte 300 Mitarbeiter von Blohm + Voss sowie 200 aus Emden zusammengefasst werden. Hier werden Thyssen Krupp und ADM je 50 Prozent halten. Jetzt kommen noch 180 Mitarbeiter von HDW dazu. Was zahlen die Araber für die Übernahme?

Bade: Über die Summe ist Stillschweigen vereinbart. Nur so viel: Es wird ein Preis gezahlt.

Abendblatt: Wie wird der Standort Hamburg gesichert?

Bade: Neben der Steinwerder Erklärung ist vereinbart, dass die vier Fregatten für die Deutsche Marine, deren Fertigung 2011 beginnt, in Hamburg gebaut werden. Sollte während dieser Zeit zu viel Arbeit anfallen, kann nach Emden ausgewichen werden. Das ist mit dem neuen Eigentümer der Nordseewerke, der Siag Schaaf, verabredet.

Abendblatt: Offensichtlich gibt es auch Gespräche über den Einstieg der Araber in den U-Boot-Bau bei HDW in Kiel. Wie realistisch ist das?

Bade: Das Interesse auf Seiten der Araber besteht wohl, zumal sie auch ein Auge auf den U-Boot-Bau der ThyssenKrupp-Tochter Hellenic Shipyard in Athen geworfen haben. Da sich ThyssenKrupp nun von der Hälfte seines Marineschiffbaues über Wasser trennt, scheint auch der Verkauf eines Minderheitsanteils beim U-Boot-Bau nicht mehr unrealistisch. Offenbar gibt es darüber auch intensive Gespräche mit der Bundesregierung. Die IG Metall sieht hier jedenfalls keine unüberwindbaren Hindernisse.

Abendblatt: Wie wird die Zukunft aussehen?

Bade: Ob etwas mehr Ruhe einkehren kann, wird vor allem von neuen Aufträgen für Blohm + Voss abhängen. Derzeit gibt es dazu aber nichts Neues. Immerhin hat die Werft seit elf Jahren keinen Exportauftrag für Korvetten oder Fregatten erhalten. Sicher scheint, dass die Neustrukturierung der Unternehmen nicht zu Ende ist. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

Die aktuellen Schiffspositionen auf der Elbe sehen Sie auf unserer interaktiven Karte.