VW-Chef plant in diesem Jahr Absatzrekord, Umsatz- und Gewinnplus. Konzern plant 70 Neuheiten für 2010. Vorstände werden im Krisenjahr mit Sonderprämien belohnt.
Hamburg. 800 000 Euro Sonderprämie hat VW-Chef Martin Winterkorn im vergangenen Jahr für "besondere Leistungen" erhalten. Auch die übrigen vier Mitglieder des VW-Vorstands, der zusammen 18,7 Millionen Euro bekam, durften sich über Extrageldgeschenke von je 200 000 Euro freuen. Genug etwa für den Erwerb eines Ferienhäuschens, das den Managern zu etwas Ruhe inmitten der schlimmsten Autokrise seit Jahrzehnten verhelfen könnte.
Allerdings haben Winterkorn und seine Mannschaft den Wolfsburger Konzern bisher vergleichsweise gut durch die schweren Zeiten geführt. Angesichts einer Kundschaft, die sich mit der Krise im Blick oft nur noch zum Erwerb eines Fernsehers durchringen kann, blieb der Absatz erfreulich stabil: Auch dank der Abwrackprämie verkaufte VW im vergangenen Jahr immerhin 6,3 Millionen Autos, ein Plus von 0,6 Prozent.
Entsprechend selbstbewusst zeigte sich gestern auf der Bilanzpressekonferenz der von manchen der knapp 400 000 Mitarbeiter "Wiko" genannte Chef: Er wolle im laufenden Jahr einen neuen Rekordabsatz erreichen, Umsatz und Gewinn erhöhen, schon im Februar sei der Absatz um ein Viertel gestiegen. "2010 schalten wir nicht zurück", sagte der Konzernlenker, seit jeher ein enger Verbündeter von Firmenpatriarch Ferdinand Piëch, den er einst während des Seminars "Spanisch im Schlaf" bei Audi näher kennengelernt hatte.
Die Seelenverwandtschaft zu dem ebenfalls technikverliebten Aufsichtsratschef Piëch, aber auch ein Vergleich mit der Konkurrenz, geben Winterkorn Anlass zum Stolz: Zwar ist der Gewinn bei VW um 80 Prozent eingebrochen. Und Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer kommt zu dem Schluss, VW arbeite bei kleinen Fahrzeugen unrentabel. Dennoch: Daimler, General Motors, Fiat und die französischen Rivalen PSA Peugeot Citroën und Renault schrieben teils tiefrote Zahlen. Auch Weltmarktführer Toyota erwartet wegen der Rückrufaktionen Verluste.
Gerade der japanische Hersteller gilt bei VW intern als Maßstab, und das Ziel, den Konkurrenten zu überholen, rückt mit dem Qualitätsfiasko der Asiaten näher. "Das ist eine Steilvorlage für Winterkorns Pläne, Toyota 2018 als größten Autobauer der Welt einzuholen", sagte Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft in Nürtingen, dem Abendblatt. Denn nach den Rückrufaktionen müsse Toyota mit einem Absatzeinbruch in seinem zweitwichtigsten Markt, den USA, rechnen. Derzeit rangiert VW in der Weltrangliste der größten Autobauer auf Platz vier nach Toyota, GM und Ford.
Bei der Aufholjagd will VW vor allem auf den Boommärkten in Asien und Südamerika zulegen und der Konkurrenz Marktanteile abspenstig machen. Winterkorn will dazu im laufenden Jahr 70 Neuheiten in die Ausstellungsräume der Händler bringen. Auch ein gemeinsames Sportwagenkonzept des Konzerns mit Porsche kündigte der Autonarr an, der in seiner Zeit bei Audi auch schon den R8 ins Leben gerufen hatte. Allerdings sehen Skeptiker hier auch Probleme: Wird Winterkorn die Rivalität zwischen der neuen Konzernmarke Porsche und dem Ertragsbringer Audi beherrschen, wird er die Gefahr bannen, dass Skoda mit seiner Komfortphilosophie VW Kunden wegnimmt? Und überblickt er einen Konzern mit einem Dutzend Marken? Schließlich ist VW nicht nur als Sieger im Machtkampf mit Porsche hervorgegangen, der Hersteller übernahm auch den schwedischen Lastwagenbauer Scania und beteiligte sich am Lkw-Spezialisten MAN und dem japanischen Hersteller Suzuki. Zudem schreiben Bentley und die Nutzfahrzeugsparte Verluste, und Sorgenkind Seat erhöhte das operative Minus sogar von 78 Millionen Euro 2008 auf nun 339 Millionen.
Doch wenn alles glatt läuft, wird die Sonderprämie an Winterkorn in diesem Jahr nicht das letzte Bonbon für den promovierten Ingenieur gewesen sein. Dann dürfte sich Piëch dafür einsetzen, dass der Aufsichtsrat den 2011 auslaufenden Vertrag Winterkorns noch einmal verlängert.