Die Schwierigkeiten mit den ICE-Achsen werden den Fernverkehr bei der Deutschen Bahn noch jahrelang beeinträchtigen. Zwar einigte sich der Konzern mit dem Hersteller Alstom auf einen Austausch der Achsen. Doch der ist kompliziert – deswegen werden weiterhin deutlich zu wenig Züge unterwegs sein.

Der seit eineinhalb Jahren andauernde Konflikt um mangelhafte ICE-Achsen zwischen der Deutschen Bahn (DB) und den drei großen Schienentechnikherstellern ist beigelegt. Nachdem sich der Bahn-Konzern bereits im Oktober mit Siemens und Bombardier auf einen Austausch sämtlicher Achsen der 63 ICE-3-Züge verständigt hat, gibt es nun mit Alstom eine entsprechende Übereinkunft für die Neigetechnikzüge vom Typ ICE T. Die Bahnkunden müssen dennoch mindestens bis 2013 mit erheblichen Behinderungen in Fernverkehr rechnen.

Die Vereinbarung zwischen Bahn und Alstom sieht vor, dass der französische Konzern 2104 Achsen neu entwickelt und produziert. Ab Ende 2011 sollen die 67 ICE-T-Züge damit ausgestattet werden. „Bis der Austausch komplett abgeschlossen ist, vergehen allerdings voraussichtlich zwei Jahre“, heißt es bei Alstom. In Bahnkreisen rechnet man mit „einer Zeitspanne von deutlich über einem Jahr“. DB-Technikvorstand Volker Kefer betonte, dass die vom Eisenbahn-Bundesamt angeordneten verkürzten Prüfintervalle für ICE-Züge in Kraft blieben, bis der Austausch vollständig beendet sei.

Die häufigen Checks sind die Ursache dafür, dass der Bahn ohne witterungsbedingte Ausfälle im Durchschnitt zwölf komplette ICE-Züge für den täglichen Einsatz fehlen. Nachdem die DB bereits auf TGV-Züge der französischen Staatsbahn SNCF zurückgegriffen hat, will sie nun versuchen, weitere Verstärkung für ihre Fernflotte zu requirieren. „Wir sind uns nicht zu fein, im Ausland entsprechende Anfragen zu stellen“, sagte Kefer. Bereits bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland waren andere Bahnen mit Zügen eingesprungen, damit die DB das Fahrgastaufkommen bewältigen konnte.

Für Züge, die den Hochgeschwindigkeitszug ICE ersetzen könnten, gelten allerdings strenge Auflagen. Die Einigung von Herstellern und Deutscher Bahn ist vor allem für letztere ein Punktsieg. Seit im Sommer 2008 bei einem ICE 3 ein Radsatz gebrochen und im Herbst dieses Jahres an einer ICE-T-Achse ein Haarriss entdeckt worden war, muss sich die Bahn mit einem Sicherheitsproblem bei der Fernzugflotte und Zugausfällen rumärgern. Bereits im vergangenen Jahr bezifferte der Konzern den daraus entstanden Schaden aufgrund häufigerer Checks und Umsatzverlusten auf mehr als 350 Mio. Euro. Nach den Bestimmungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) ist der Bahnbetreiber für den reibungslosen Ablauf des Verkehrs zuständig – auch wenn mangelhafte Bauteile die Ursache für Störungen sind.

Dass es dennoch zu einer Einigung kam, hat mit den engen Verbindungen von Herstellern und Bahn zu tun: Der DB-Konzern ist einer der größten Auftraggeber für Züge und Schienentechnik in Europa. Und bei nur drei großen Anbietern ist die Auswahl der Lieferanten gering. Mit dem Kompromiss wurde nun ein vermutlich langjähriger Rechtsstreit vermieden. „Vor Gericht hätten allen Beteiligten verloren“, so Kefer. „Wir wollen bei der Deutschen Bahn im Geschäft bleiben“, erklärte ein Alstom-Manager den Einigungswillen. Der letzte Großauftrag für eine neue Regionalflotte war an Bombardier gegangen, Siemens ist bevorzugter Bieter für die neue IC-Generation.

Der Austausch aller ICE-T-Achsen wird nach WELT-ONLINE-Informationen 50 bis 80 Mio. Euro kosten. Über die Verteilung der Lasten wurde von beiden Seiten Stillschweigen vereinbart.

Quelle: Welt Online