Die Währungsunion ist gefährdet. Inflationssorgen nehmen zu, Reisen werden teurer, Exporte günstiger. Welche Wege aus der Krise führen.
Hamburg. Bei den Euro-Hütern wächst die Sorge um die Stabilität der Währungsunion. Hinter den Kulissen wird offenbar fieberhaft darum gerungen, wie man die hohen Staatsverschuldungen in einigen Mitgliedsländern, allen voran Griechenland, in den Griff bekommen will. Besonders verärgert zeigte sich der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, über die Manipulationen an den griechischen Statistiken, die das Verschuldungsproblem lange Zeit verschleiert hatten. "Nie wieder werden wir Haushaltszahlen akzeptieren, die nicht den Tatsachen entsprechen", sagte Trichet dem Magazin "Focus". Haushaltssünder müssten mit strengen Kontrollen rechnen.
Wie Experten die Schuldenkrise beurteilen:
Welche EU-Länder sind von der Pleite bedroht?
In Griechenland erreichte die Neuverschuldung des Staates im vergangenen Jahr rund 13 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP). Laut dem Maastricht-Vertrag der EU ist nur eine Defizitquote von drei Prozent zulässig. Zwar überschritt angesichts der Wirtschaftskrise auch Deutschland mit 3,2 Prozent diese Marke knapp. In Griechenland werden die Staatsschulden aber nach Ansicht von Experten auch durch nicht mit der Krise zusammenhängende Faktoren wie ein überaus großzügiges Rentensystem und die sehr weit verbreitete Steuerhinterziehung hochgetrieben. Weitere Euro-Länder mit hohen Defiziten von rund zehn bis zwölf Prozent sind Irland und Spanien, in Portugal sind es etwa acht Prozent.
Als besonders gefährdet gilt allerdings Griechenland, dessen gesamte bisher angesammelte Schuldenlast geschätzt mehr als 300 Milliarden Euro oder weit mehr als 110 Prozent des BIP beträgt. Weil wegen der immer höheren Verschuldung die Gefahr steigt, dass Griechenland die darauf fälligen Zinsen irgendwann nicht mehr zahlen oder die Tilgung nicht mehr leisten kann - dass also wie bei Argentinien im Jahr 2002 der Staatsbankrott eintritt -, haben die Ratingagenturen die Bonitätsnote des Landes kräftig herabgestuft. Dies hat zur Folge, dass Griechenland nun bei der Aufnahme neuer Schulden noch höhere Zinsen bieten muss als zuvor.
Kann die Währungsunion auseinanderbrechen?
Wohl kaum zufällig hat sich ein Arbeitspapier der Europäischen Union (EU) - verfasst von einem griechischen EU-Juristen - gerade erst im Dezember mit der Frage befasst, ob ein Austritt oder Ausschluss aus der Gemeinschaft beziehungsweise der Währungsunion ein gangbarer Weg ist. Das Fazit: Juristisch ist ein freiwilliger Austritt aus der EU zwar möglich, aber höchst problematisch. Der betreffende Staat könne dann auch kein Mitglied der Währungsunion mehr sein. Der Hinauswurf eines Landes hingegen sei aus praktischen und rechtlichen Gründen so gut wie ausgeschlossen.
Was kann die EU gegen Schuldensünder tun?
Die Währungsunion sieht für Länder, deren Neuverschuldung die Marke von drei Prozent des BIP überschreitet, ein Defizitverfahren vor. Im Extremfall drohen Bußgelder in Milliardenhöhe, außerdem können Fördergelder aus den EU-Töpfen für arme Regionen gestrichen werden - und Griechenland gehört zu den Ländern, die besonders viele derartige Hilfen erhalten.
Das Problem für die Währungshüter in Brüssel liegt aber darin, dass solche Sanktionen die Schwierigkeiten eines finanziell gebeutelten Staats noch verschärfen und dass die Strafen überdies erst mit einigen Jahren Verzögerung in Kraft treten. Es fehlt aber an geeigneten Maßnahmen, mit denen Länder wie Griechenland schon dann zu mehr Finanzdisziplin gedrängt werden können, wenn sich Schuldenkrisen erst abzeichnen.
Wie tief fällt der Euro?
Die Sorgen um die Staatsfinanzen in einigen Ländern des Euroraums haben den Kurs der Gemeinschaftswährung innerhalb weniger Wochen von mehr als 1,51 Dollar auf nur noch gut 1,41 Dollar nach unten gedrückt. "Unter Marktteilnehmern wächst die Sorge, dass der Euro nur eine Schönwetterwährung ist", meint dazu Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann. Er rechnet - nach einer leichten Erholung des Euro in den nächsten Monaten - mit einer weiteren Abschwächung bis auf 1,35 Dollar zum Jahresende.
"Die Gefahr eines echten Absturzes des Euro sehe ich aber nicht", sagte Bräuninger. "Denn zusammengenommen ist das Defizit der Euro-Länder noch immer viel niedriger als das Defizit der USA."
Was bedeutet ein Euro-Tief?
"Trotz der Abwärtsbewegung der vergangenen Wochen hat sich nichts daran geändert, dass der Euro immer noch sehr stark ist - ein Problem für Europas Industrie", so Bräuninger. Denn ein hoher Euro-Kurs schadet der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Exporteure. So beklagt sich unter anderem der Flugzeugbauer Airbus über den starken Euro.
Sinkt der Kurs der Gemeinschaftswährung nun, werden die Produkte aus Europa für Käufer etwa in Asien günstiger. Auf der anderen Seite verteuern sich Importe aus den USA und Asien - nicht zuletzt auch Energierohstoffe wie das Öl. Hinzu kommt, dass Europäer bei Reisen in Länder außerhalb des Euro-Raums - relativ gesehen - mehr ausgeben müssen.
Auf etwas längere Sicht ist ein schwächerer Euro nichts Neues: Noch im ersten Halbjahr 2009 notierte er weit unter 1,30 Dollar.
Müssen die Deutschen für Griechenland zahlen?
Offiziell gibt sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unnachgiebig. Die Deutschen könnten nicht für die Fehler der Griechen zahlen, sagte er. Hinter den Kulissen wird offenbar dennoch darüber nachgedacht, wie ein Staatsbankrott des Balkanlandes notfalls abgewendet werden kann. "Direkte Hilfen der EU an Griechenland, etwa in Form von Krediten, erwarte ich aber nicht", sagte Michael Bräuninger, der Chefvolkswirt des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), am Sonntag dem Abendblatt. Eine andere Möglichkeit der Finanzhilfe bestünde darin, dass die Euro-Länder gemeinsam Anleihen am Finanzmarkt auflegen und das damit aufgenommene Geld Griechenland zufließt. Damit wären die Zinsen viel niedriger, als wenn sich Athen allein neu verschulden würde, aber höher als die von deutschen Bundesanleihen. Indirekt wäre dies eine Belastung der deutschen Steuerzahler. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Deutschland dem zustimmt", sagte Bräuninger. "Für mich spricht alles dafür, dass Griechenland auf politischen Druck der anderen Euro-Länder seine Defizite allmählich in den Griff bekommt."
Kommt die Inflation zurück?
Die rasant gestiegene Verschuldung etlicher Euro-Länder hat Befürchtungen geschürt, die Inflationsraten könnten in den kommenden Jahren nach oben schießen. "Dies droht aber, wenn überhaupt, noch eher in den USA", meint Bräuninger. "Die Europäische Zentralbank hat sich bisher stets als stark und unabhängig erwiesen und sie wird übermäßig hohe Preissteigerungsraten entschieden bekämpfen" Außerdem werde die Arbeitslosigkeit in diesem Jahr noch weiter zunehmen. "Daher dürften die Lohnsteigerungen moderat bleiben", so der HWWI-Experte. "Auf absehbare Zeit erwarte ich keine hohe Inflation."
Auch nach Auffassung der Commerzbank-Volkswirte bleibt die Inflationsrate in Deutschland und im Euro-Raum selbst im nächsten Jahr deutlich unterhalb von zwei Prozent.