Die betroffenen Handelsketten wollen den Verdacht schnell aufklären - das Ausmaß des Schadens ist aber noch nicht abzusehen.
Hamburg. Extravagante Schnitte auf den Laufstegen beweisen: Mode aus Naturfaser muss heutzutage nicht mehr langweilig sein. Im Gegenteil. Immer mehr Designer setzen bewusst auf Materialen, die umweltfreundlich angebaut wurden - wie Baumwolle aus biologischem Anbau.
Doch jetzt drohen die Nachwehen eines Betrugs in Indien die Branche zu erschüttern und lassen sie um ihren guten Ruf fürchten. Dutzende Dörfer in Indien sollen zusammen mit den Zertifizierungsfirmen Ecocert (Frankreich) und Control Union (Niederlande) gentechnisch veränderte Baumwolle als Bioware verkauft haben, berichtet die "Financial Times Deutschland". Die Zertifizierer wurden in Indien bereits im April 2009 mit Geldstrafen belegt. Opfer des Betrugs sollen auch große Handelsketten sein, die mit den Zertifizierern zusammenarbeiten - wie H & M, C & A und Tchibo.
Klar ist: Der Einsatz von Gentechnik verstößt gegen die strengen Ökostandards für Biobaumwolle. Betrogene wären nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Käufer, die den Ökolabel-Standards vertrauen.
Die Handelsketten wurden am Freitag sofort aktiv: "Wir wissen noch nicht, ob wir betroffen sind. Um schnell Klarheit zu schaffen, fliegt morgen ein Mitarbeiter nach Indien, um den Vorwürfen vor Ort nachzugehen", sagte der Pressesprecher von C&A, Thorsten Rolfes. "Sollte der Verdacht stimmen, erwägen wir rechtliche Schritte." Das Unternehmen C & A, das acht Prozent seiner Baumwollbekleidung aus Bioware herstellt, will künftig den Bioanteil ausbauen: "Biobaumwolle ist die bessere Faser, da sie Umwelt und Gesundheit der Bauern in den Anbauländern schont." So werde beim biologischen Anbau von Baumwolle auf den Einsatz von giftigen Pflanzenschutzmitteln, künstlichen Düngemitteln und genmanipuliertem Saatgut verzichtet, sagt Rolfes. Obwohl die Biowaren nicht gesundheitsschädlich seien, könnten verunsicherte C&A-Kunden ihr Geld dafür zurückfordern.
Auch die Modekette H&M kennt den Fall. Wie viel Ware aus der "Organic-Cotton"-Linie betroffen sei, konnte die H&M-Sprecherin Swetlana Ernst nicht beziffern. Tchibo wies dagegen den Vorwurf zurück: "Wir beziehen unsere Biobaumwolle aus der Türkei, nicht aus Indien", sagt Tchibo-Sprecher Andreas Engelmann. Auch die Hamburger Otto-Group ist nicht betroffen, da der Konzern seine Biobaumwolle aus der Türkei, Syrien und Israel bekommt.
Die Hamburger Expertin für "Grüne Mode", Kirsten Brodde, sieht in dem Vorfall einen "Einzelfall, es gibt keine tägliche Betrugspraxis in der Branche." Der Zertifizierer Control Union sei mittlerweile auch von der Biobranche für sein Fehlverhalten belangt worden und danach nicht mehr negativ aufgefallen.
Baumwolle ist ein wichtiger Rohstoff in der Modeindustrie - jedes zweite Kleidungsstück besteht aus Baumwolle. Der Anteil des biologischen Anbaus von Baumwolle liegt nach Branchenangaben bisher nur bei 0,1 Prozent, die vor allem aus der Türkei, den USA, Indien und Peru kommt. Tendenz steigend. Insgesamt hat sich der Umsatz mit Biotextilien in den vergangenen fünf Jahren weltweit von 500 Millionen Dollar auf heute geschätzte 5,3 Milliarden Dollar mehr als verzehnfacht.