Hersteller unterhielten “Gesprächskreise“ im Flughafenhotel Hamburg. Kraft verriet Tchibo an die Wettbewerbshüter und ging so straffrei aus.

Hamburg. Die Preisabsprachen bei Kaffee wurden nach Angaben des Bundeskartellamtes dank der Mithilfe des Nahrungsmittelriese Kraft aufgedeckt. Damit entging Kraft einer Millionenstrafe. Der „Kraft Foods Deutschland GmbH“ sei eine Geldbuße „gemäß (..) der Bonusregelung des Bundeskartellamts erlassen“ worden, teilte das Kartellamt mit. Die Wettbewerbshüter hatten Ende 2009 Strafgelder in Höhe von insgesamt knapp 160 Millionen Euro gegen die Kaffeeröster Melitta, Dallmayr und Tchibo verhängt. Zudem liefen weiter Ermittlungen wegen Verdachts von Preisabsprachen unter Gastronomie-Zulieferern und bei Cappuccino-Herstellern, sagte ein Behördensprecher.

Die Kartellwächter hatten bislang nicht offen gelegt, welches Unternehmen Hinweise auf Preisabsprachen bei Kaffeeröstern gegeben hatte. Fahnder des Kartellamts waren im Juli 2008 zu Razzien bei drei Unternehmen ausgerückt. „Grundlage der Durchsuchung war ein Bonusantrag der Kraft Foods Deutschland“, hieß in dem nun veröffentlichten Fallbericht zum Kaffee-Kartell. Bei den Razzien sei den Beamten „umfangreiches Beweismaterial“ in die Hände gefallen. Und dieses legte den Wettbewerbshütern zufolge aufschlussreiche Details über den deutschen Kaffeemarkt offen. Von Kraft war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

HARDCORE-KARTELL IM FLUGHAFENHOTEL

Seit mindestens Anfang 2000 unterhielten die vier Unternehmen dem Kartellamt zufolge einen „Gesprächskreis“, zu dem sich Geschäftsleiter und Vertriebsleiter zusammengefunden hätten. Die Manager tagten vorwiegend in Flughafen-Hotels in Bremen und Hamburg. Bei den Kaffee-Runden in Bremen habe Kraft vorwiegend die Räume angemietet, bei den Treffen in Hamburg habe Tchibo in der Regel gezahlt. Damit die Manager auch zu den internen Runden fanden, seien in den Hotels Schilder mit Hinweisen aus „Jacobs Kaffee“ oder „Kraft Foods“ aufgestellt worden. Zwischen 30 Minuten und drei Stunden hätten die Zirkel dann getagt – mit dem Ziel, das „Preisgefüge der wichtigsten Röstkaffeeprodukte (..) aufrechtzuerhalten“. Allein 20 Sitzungen habe das Kartellamt für den Zeitraum zwischen Anfang 2000 und 2008 nachweisen können.

Dem Kartellamt zufolge sprachen die Manager in ihrem internen Zirkel „Höhe, Umfang, Zeitpunkt der Bekanntgabe sowie das Inkrafttreten beabsichtigter Preiserhöhungen“ miteinander ab. Die Wettbewerbshüter konnten eigenen Angaben zufolge insgesamt fünf abgesprochene Preisrunden nachweisen – in einem Fall mussten die Verbraucher nach den illegalen Vereinbarungen bis 0,70 Euro mehr pro 500-Gramm-Packung Kaffee zahlen. Die Absprachen stellten einen „Hardcore-Kartellverstoß“ dar, bilanzierten die Kartellwächter.

Tchibo und Melitta legten dem Amt zufolge Einspruch gegen die Millionen-Bußgelder ein. Damit muss wohl das Oberlandesgericht Düsseldorf über die Strafen entscheiden.

Die Kartellwächter haben aber auch andere Teile der Nahrungsmittelindustrie im Visier. So hatten sie etwa 2008 die Zentralen von mehreren Schokoladenherstellern durchsucht. Damals war neben Nestle Deutschland unter anderem auch Kraft betroffen. Diese Untersuchung laufe noch, sagte der Sprecher des Bundeskartellamts.