Stellenabbau auf der ältesten deutschen Werft fällt geringer aus als befürchtet. Beschäftigte müssen aber auf Geld verzichten.
Hamburg. Noch im Frühjahr stand die 1635 gegründete Sietas Werft vor dem Aus. Allein 14 Stornierungen musste das auf den Containerschiffbau spezialisierte Unternehmen hinnehmen. Mit der Krise waren keine Aufträge für Containerfrachter mehr in Sicht und die Kosten im internationalen Vergleich zu hoch. Seit 1. März ist nun der ehemalige Airbus-Manager Rüdiger Fuchs (43) Sietas-Chef. Das Abendblatt sprach mit Fuchs über Stellenabbau und Lohnverzicht. Aber auch über die Neuorganisation der Arbeit und fünf Schiffstypen für die Zukunft.
Hamburger Abendblatt: Herr Fuchs, hätten Sie vor 15 Monaten erwartet, heute Chef bei der Sietas Werft zu sein?
Rüdiger Fuchs: Sicher nicht. Ich wurde eines Tages zu einem Termin gebeten, ohne zu wissen, worum es gehen würde. Als ich hörte, dass ein Manager für die Sanierung einer Werft gesucht wurde, dachte ich, Schiffbau ist eine Kunst, die Zukunft und Tradition einmalig verbindet. Schiffe und Wasser faszinieren mic h.
Abendblatt: Airbus hat mehr als 200 Riesenflieger A380 verkauft, bei dem Sie - wie bei allen übrigen Airbus-Typen - für Rumpf und Kabine verantwortlich waren. Das ist Champions League. Sietas bangt um die Zukunft, spielt allenfalls in der 2. Bundesliga. War der Wechsel richtig?
Fuchs: Ja, weil meine Möglichkeiten heute zwar bescheidener sind, ich dafür aber eine größere Freiheit eingetauscht habe. Es ist ein Unterschied, ob man unter einem Vorstand in der Industrie arbeitet oder ob man selber abschätzen und entscheiden kann, was geht und was nicht.
Abendblatt: Was verbindet Sie mit dem Schiffbau?
Fuchs: Schiff- und Flugzeugbau sind gar nicht so unterschiedlich. In beiden Branchen geht es um ein Gesamtprodukt, um kleine Stückzahlen und darum, mit Zulieferfirmen zu arbeiten.
Abendblatt: Sie sind Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik...
Fuchs: ... und seit meinem achten Lebensjahr Segler. Seitdem hatte ich fünf Boote, mein derzeitiges liegt an der Flensburger Förde.
Abendblatt: Es geht um die Zukunft von Deutschlands ältester Werft. Wie soll sie gesichert werden?
Fuchs: Es gibt drei Bausteine. Der Erste ist, dass wir uns für lange Zeit vom Containerschiffbau verabschieden. Zweitens wandeln wir die Werft vom Handwerks- zum Industrieunternehmen um und wollen dabei die Kosten um 30 Prozent senken und drittens arbeiten wir an der Integration der drei Standbeine der Sietas-Gruppe: der Neubau-Werft, der Norderwerft mit Reparaturen und der Neuenfelder Maschinenfabrik mit dem Kranbau.
Abendblatt: Konkret?
Fuchs: 90 Prozent unserer Kräne gehen schon heute an chinesische Werften, hinter deren Aufträgen oft deutsche Reeder stehen. Von Shanghai aus beliefert ein von Sietas mitgegründetes Gemeinschaftsunternehmen 19 Kunden in China. Vorort entstehen Kranausleger und Fundamente, die Steuerungen kommen weiter aus Hamburg. Im November wurden erstmals nicht nur Kräne an einen koreanischen Schiffbaukonzern geliefert, sondern die Norderwerft hat sie in Hamburg eingebaut. Wir haben zudem Mitarbeiter von Sietas an die Maschinenfabrik und die Norderwerft übergeben, um die Kranfertigung und die Schiffsreparatur auszuweiten. Auch über Wartungsangebote für bei Sietas gebaute Schiffe und Einbauten für den Umweltschutz wird jetzt nachgedacht.
Abendblatt: Wie hat sich die Arbeit auf der Werft verändert?
Fuchs: Bei der Organisation ist kein Stein auf dem anderen geblieben. So wird nicht mehr nach Gewerken wie Maschinenbau, Elektrik oder Schiffbau gearbeitet. Schlosserteile machen wir nicht mehr und auch die Tischlerei wurde Ende 2009 geschlossen. Jetzt arbeiten alle zusammen, die für einen bestimmten Schritt in der Fertigung verantwortlich sind. Auf die Vorfertigung folgt die Sektionsmontage, die Konservierung und die Endmontage im Dock. In der Produktentwicklung sitzen alle Beteiligten von Entwurf und Einkauf bis hin zur Produktion und Ausrüstung in einem Großraumbüro zusammen.
Abendblatt: Das reicht aber nicht aus, um Sietas zu stabilisieren. Wie weit ist der Stellenabbau?
Fuchs: Er ist bis Ende März 2010 abgeschlossen. Dann werden im Neubau 242 der 880 Stellen weggefallen sein. 71 Mitarbeiter davon wechseln jedoch zur Maschinenfabrik und zur Norderwerft. 71 gehen in Altersteilzeit und 100 in eine Qualifizierungsgesellschaft. Statt wie befürchtet ein Drittel der Belegschaft muss nur ein Viertel gehen.
Abendblatt: Ohne Opfer geht es aber auch für die anderen nicht?
Fuchs: Wir haben mit der IG Metall einen Sanierungstarifvertrag geschlossen. Danach wird für 2009 und 2010 kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt. Außertariflich Beschäftigte und Geschäftsführung verzichten ebenso auf einen Teil ihrer Gehälter.
Abendblatt: Welche Schiffe wird die Sietas Werft künftig bauen?
Fuchs: Wir haben uns auf fünf Typen festgelegt. Es sind Schwergutschiffe, mit denen große Anlagen- und Maschinenteile transportiert werden, Massengutfrachter mit Förderbändern zum Entladen, Auto- und Passagierfähren, Bagger und Schiffe, mit denen zum Beispiel Windkraftanlagen auf dem Meer installiert werden können. Wichtig ist, dass die Werft eigene Entwürfe realisiert und nichts nachbaut. Für den Entwurf suchen wir Ingenieure, dazu Projektleiter und Produktionsingenieure.
Abendblatt: Wie lange ist die Werft ausgelastet?
Fuchs: Im Auftragsbuch stehen sieben Neubauten. Vier davon, unter ihnen die Fähre für die Wyker Dampfschiffs-Reederei, wurden 2009 hereingeholt. Alle Aufträge sind durchfinanziert. Toxisches ist nicht darunter. Die Arbeit reicht für ein Jahr, sodass wir mit Hochdruck an neuen Aufträgen arbeiten.
Abendblatt: 2010 wird die Sietas Werft 375 Jahre alt. Wie sieht die weitere Zukunft aus?
Fuchs: Mit dem Wechsel in der Geschäftsführung im März 2009 haben wir uns entschieden, ein neues Kapitel in der Firmengeschichte zu schreiben. 2010 müssen wir die Zukunft gestalten. Wenn uns das gelingt, wird Sietas 2015 für Spezialschiffe so bekannt sein wie bisher für Containerfrachter.