Shiho Fujita ist Model, Sängerin und Musikproduzentin. Die 24-jährige Japanerin berichtet regelmäßig in einem Blog aus ihrem Leben, doch darin empfiehlt sie keine Boutiquen oder Clubs – nein: Sie gibt Tipps zum Anbau von Zucchini und Tomaten.

Tokio. Fujita liegt damit voll im Trend, denn junge Japaner fliehen derzeit in Scharen aus den Häuserschluchten der Städte und entdecken das Landleben für sich. PR-Leute werden Biobauern, Mode-Jüngerinnen bekehren sich und bauen Reis an und Manager kultivieren ihren grünen Daumen. Und manch einer hofft gar, dass sich so die Abhängigkeit des Landes von Lebensmittel-Importen verringern könnte.

Japan, die ostasiatische High-Tech-Nation, ist in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Verkauf von Autos und Elektronik reich geworden. Gleichzeitig muss die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt aber fast zwei Drittel – 60 Prozent – ihres Lebensmittelbedarfs durch Einfuhren decken. Ende der 1960er Jahre war es nur gut ein Viertel. Viele Japaner sehen die derzeitige Entwicklung mit Sorge, erst recht in Zeiten des Klimawandels mit seinen schädlichen Folgen für die weltweite Nahrungsmittelproduktion. Unberechenbare Energiekosten, die die Getreidepreise am Weltmarkt schwanken lassen, tragen auch nicht eben zur Beruhigung bei.

„Egal, wie groß Japans Wirtschaft ist, ganz gleich, wie viel Geld es anhäuft – dieses Land wird bald nicht mehr so viele Lebensmittel aus dem Ausland importieren können“, sagt der 31-jährige Yusuke Miyaji unter dem Beifall junger Bauern. Miyaji kommt aus einer Schweinezüchter-Familie und hat das Netzwerk Kosegare („Bauernsohn“) gegründet, dem sich schon mehr als 200 junge Landwirte und andere Unterstützer angeschlossen haben. „Kinder sollten von einer Zukunft als Bauer und nicht als Baseballstar träumen“, sagte Miyaji.

Produkte der „Bauernsöhne“ verkauft das Netzwerks unter dem Markennamen „Refarm“. Kosegare macht sich dabei für die Direktvermarktung stark, um die Kosten für Vertrieb und Provisionen zu senken. Arbeiten im Agrarsektor will Gründer Miyaji „cool, aufregend und profitabel“ machen. Die Zeit drängt: Um die Landwirtschaft in Japan neu zu erfinden, blieben „wahrscheinlich noch fünf Jahre“, prognostiziert er.

Die Kosegare-Bewegung macht jemandem wie Kaori Nukui Mut: Nach sieben Jahren bei Wirtschaftsberatungs- und PR-Firmen in Tokio hilft die 31-Jährige jetzt auf dem Hof ihrer Eltern beim Anbau von Grüntee und Shiitake-Pilzen. „Früher hatte ich kein Interesse daran, das Geschäft zu übernehmen“, erzählt sie auf dem Weg zu einer Pilzhalle nördlich von Tokio: „Meiner Mutter wäre es auch lieber gewesen, wenn ich einen Geschäftsmann geheiratet hätte.“ Dann aber habe sie festgestellt, dass die Eltern ihr schon eine gute Basis für ein eigenes Geschäft aufgebaut hätten.

Statistiken zufolge fehlt es Japans Bauern an Nachwuchs, der in die Betriebe einsteigen will. Auf vielen Höfen gibt es keine Nachfolger – entweder weil es keine Nachkommen gab oder weil diese in die Großstadt gezogen sind. Die Konsequenz: Mehr als 70 Prozent der aktiven japanischen Landwirte sind mindestens 60 Jahre alt, fast die Hälfte sogar über 70. Übers ganze Land verteilt liegen rund 3.800 Quadratkilometer landwirtschaftliche Nutzfläche brach und verwildern. Seinen Bedarf an Weizen, Mais und Sojabohnen muss das Land heutzutage fast vollständig über Importe decken.

Sängerin Fujita macht den frischgebackenen Bauern in ihrem Blog Mut: „Der schnelle Einstieg in die Landwirtschaft mag für junge Leute schwierig sein“, schreibt sie: „Aber wenn sie aufregender wird, weil mehr Jüngere mitmachen, dann wird sich die japanische Agrarwirtschaft sicher verändern. Und ich denke, Japan braucht das.“