Hamburger Verbraucherschützer haben eine Liste der Mogelpackungen erstellt: Produkte, die dank gefallener Verpackungsvorschriften jetzt mit weniger Inhalt verkauft werden - zum gleichen Preis.

München. Auf den ersten Blick hätte die Münchnerin nichts bemerkt: Ihre bevorzugte Körperlotion steht am gleichen Platz im Drogeriemarkt-Regal, der Preis ist unverändert. Nur Farbe und Design der Flasche sind ungewohnt, neu. Erst als die Kassierin flüstert: „Achtung, weniger drin!“, bekommt auch sie mit, was viele Verbraucher zurzeit auf die Palme bringt. Beim Einkauf lauern an jeder Ecke versteckte Preiserhöhungen. Seit 11. April gehören auch die letzten strengen Standard-Verpackungsvorschriften der Vergangenheit an.

Hersteller dürfen nun Milch, Wasser, Zucker, Fruchtsäfte, Limonade, Schokolade oder auch Bier in beliebiger Füllmenge auf den Markt bringen. So sieht es eine EU-Richtlinie vor. Einzig bei Wein, Sekt und Spirituosen bleibt die Menge noch vorgeschrieben.

Durfte etwa Milch bisher nur in Behältern mit einem halben, einem ganzen oder 0,75 Litern Inhalt angeboten werden, sind die Einheiten jetzt frei veränderbar. Statt 0,5 wären jetzt auch 0,46 Liter möglich. Zucker könnte es nicht mehr in der gewohnten Kilo-Tüte, sondern als 970-Gramm-Verpackung geben. Eine Tafel Schokolade dürfte statt 100 auch 92 Gramm wiegen.

Bei Produkten wie Marmelade, Putzmittel oder Kosmetika sind die Verpackungsgrößen schon länger freigegeben. Die Folge: In vielen Flaschen, Tüten, Tuben ist inzwischen deutlich weniger drin, doch der Preis ist der alte, wie Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg seit Monaten beobachtet. Ihre Befürchtung: Die Füllmengen werden auch bei den letzten Produktgruppen schrumpfen, ohne dass es auf den ersten Blick auffällt. Solche verschleierten Verteuerungen in Krisenzeiten „grenzen an Betrug“, sagt Thilo Bode, Geschäftsführer der Organisation „Foodwatch“.

Michael Welsch, Geschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), hält das Interesse der Hersteller an veränderten Verpackungen dagegen für „nicht so riesig“. Niemand wolle die Kundschaft „vergrätzen“.

Noch ist im jüngst liberalisierten Produktbereich alles beim Alten: Zucker wie Milch stehen nach wie vor in den gewohnten Tüten zum Verkauf, der Saft in der üblichen Flasche. Die Investitionen in neues Design und neue Größen seien groß, gibt Welsch zu bedenken. „Das ist nur eine Frage der Zeit, bis sich der erste aus der Deckung traut“, ist dagegen Verbraucherschützerin Schwartau überzeugt. Bei Cremes, Duschgels, Waschmittel, Süßigkeiten oder Babynahrung sei das schon längst der Fall.

Entsprechende Beispiele hat die Verbraucherzentrale Hamburg gesammelt und ins Internet gestellt unter vzhh.de (Menüpunkt Ernährung, Überschrift „EU-Lizenz zum Mogeln“). Die umfangreiche Liste wachse täglich, betont Schwartau: „Die Leute sind total sauer.“

So hatte eine frühere Windelpackung 44 Einlagen fürs Baby, in der neuen sind nur noch 40 drin – bei gleichem Preis. Macht eine Verteuerung von 10 Prozent. Gleich um 20 Prozent mehr wird der Kunde zur Kasse gebeten, wenn er zum gewohnten Geschirrspülmittel in neuem Design mit weniger Inhalt greift.

Auch beim Gemüse heißt es aufpassen: Verbraucher fanden abgepackte Paprikaschoten nicht wie üblich in 500-Gramm-Gebinden, sondern in Plastikfolie mit 400 Gramm. Weitere Tücke: Großpackungen sind häufig teurer als Kleinpackungen.

Wer verdeckten Preiserhöhungen nicht auf den Leim gehen will, muss künftig mit offenen Augen zum Einkaufen gehen. Wegen unterschiedlicher Gewichte sind zwei Packungen Seife nicht mehr ohne weiteres vergleichbar. Was nach Ansicht der Verbraucherschützer hilft, ist nur eins: Lernen, nach dem Grundpreis einzukaufen.

Das ist der Preis, der seit dem Jahr 2000 pro 100 Gramm, pro Kilo, pro 100 Milliliter oder pro Liter angegeben werden muss, um einen Vergleich zu ermöglichen. Ausgewiesen wird der Grundpreis am Regal. Leider ist er häufig viel zu klein gedruckt, so dass er schwer lesbar ist, wie auch Welsch einräumt.

Wer über Mogelpackungen oder mangelhafte Grundspreisangaben verärgert ist, solle sich sofort beim Hersteller oder im Supermarkt beschweren, rät Schwartau – oder Trickserei der Hamburger Verbraucherzentrale melden.