Weil die 1,1 Milliarden Euro Kartellstrafe gegen die Konzerne E.on und Gaz de France Suez in den EU-Haushalt fließen, sinken im kommenden Jahr die Beitragszahlungen.
Hamburg. Das gestern von der EU-Kommission verhängte Bußgeld ist die bisher zweithöchste Kartellstrafe der Brüsseler. Wie ein Sprecher der Kommission dem Abendblatt sagte, fließen die 1,1 Milliarden Euro in den EU-Haushalt. Damit mindern sie im kommenden Jahr die Beitragszahlungen der Mitgliedsländer.
Deutschland überweist mit rund 20 Prozent den größten Anteil an den Beiträgen, die sich im Jahr 2008 auf 120 Milliarden Euro beliefen. Jeder Bundesbürger finanzierte dabei rein rechnerisch etwa 300 Euro des deutschen Beitrags von rund 24 Milliarden Euro. Auf Basis des Haushaltsvolumens 2008 würde Deutschland durch die Gas-Kartellstrafe mit 220 Millionen Euro entlastet, der einzelne Bürger mit knapp drei Euro.
Durchbruch für die Verbraucher
Nicht nur deshalb sind Verbraucherschützer hocherfreut über den Milliarden-Bußgeldbescheid der EU-Kommission an die beiden Energieriesen E.on und Gaz des France. Aribert Peters, Präsident des Bundesverbands der Energieverbraucher, sieht in dem Urteil eine Trendwende: "Bisher hatte man den Eindruck, Brüssel gehe in dieser Branche den wirklich strittigen Auseinandersetzungen aus dem Weg."
Als "Durchbruch" wertet auch Günter Hörmann, Chef der Verbraucherzentrale Hamburg, den EU-Bescheid. "Die Energieriesen geraten nun in den Zangengriff von Verbraucherorganisationen, Kartellwächtern und Netzagentur", sagte Hörmann dem Abendblatt. "Wir haben schon immer die Auffassung vertreten, dass der Energiemarkt de facto von den führenden Anbietern beherrscht wird." Vor allem beim Gas sei die Liberalisierung bislang erst ein "zartes Pflänzchen." Allerdings hat die Bußgeldentscheidung nach den Worten von Hörmann keinen Einfluss auf die derzeit laufenden Gerichtsverfahren, in denen 52 Gaskunden gegen Preiserhöhungen durch E.on Hanse klagen.
Die Vorgänge, auf die sich die EU-Kommission nun bezieht, reichen zurück bis in das Jahr 1975. Als E.on Ruhrgas und Gaz de France (heute GDF Suez) damals den gemeinsamen Bau einer Erdgaspipeline quer durch Süddeutschland bis zur französischen Grenze beschlossen, hätten sie in einem Zusatzabkommen vereinbart, das Gas aus dieser Pipeline nicht im Heimatmarkt des jeweiligen Partners zu verkaufen. Auch nach der Öffnung der europäischen Gasmärkte für den Wettbewerb im August 2000 hätten sie an dieser Einigung festgehalten - bis Ende September 2005.
"Die Vereinbarung wurde nie praktiziert"
Dem widerspricht E.on Ruhrgas. "Die Entscheidung und insbesondere das hohe Bußgeld sind nicht nachvollziehbar", sagte Firmenchef Bernhard Reutersberg. Die damaligen Vereinbarungen seien "zur Absicherung des Leitungsinvestments erforderlich" gewesen, sie hatten aber laut E.on Ruhrgas "für die Marktentwicklung keine Relevanz, wurden nie praktiziert und 2004 von den Unternehmen formell aufgehoben."
Damit sehe man auch keine rechtliche Grundlage für Schadenersatzansprüche von Verbrauchern, wie ein Firmensprecher dem Abendblatt sagte: "Wir gehen davon aus, dass wir mit unserer Klage gegen den Bescheid vor Gericht erfolgreich sind." Nach Zustellung der schriftlichen Begründung des Bußgelds hätten die beiden Firmen zwei Monate und zehn Arbeitstage Zeit, die Klage beim Europäischen Gericht erster Instanz einzureichen. Das Verfahren dort könne zwei bis drei Jahre dauern.
Allerdings müssen E.on Ruhrgas und GDF Suez das Bußgeld von jeweils 553 Millionen Euro zunächst einmal zahlen. Beide Konzerne dürften dadurch nicht in ihrer Existenz bedroht sein: E.on wies für das zurückliegende Geschäftsjahr einen Überschuss von 1,6 Milliarden Euro aus, bei GDF Suez waren es sogar 6,5 Milliarden Euro. Tatsächlich legte die Aktie von E.on gestern sogar zu, während die Papiere des französischen Unternehmens leicht im Minus lagen.