Autobauer General Motors ist 101 Jahre nach seiner Firmengründung pleite. Es ist der größte Bankrott in der Geschichte der US-Industrie.

New York/Washington. Am liebsten, beteuert US-Präsident Barack Obama immer wieder, hätte er sich ganz herausgehalten. „Ich will keinen Autobauer steuern“, unterstrich er mehrfach. Doch blieb Obama keine Wahl, nicht bei Chrysler und nun auch nicht bei General Motors. Kurz vor dem Abgrund greift er beim gut 100 Jahre alten Traditionshersteller GM massiv ins Lenkrad. In der bisher größten Insolvenz der US-Industriegeschichte will er Amerikas einstigen Vorzeigekonzern in letzter Minute per Verstaatlichung retten.

Von einer „Neuen Ära“ der Autobauer sprechen US-Medien. Der jungen Obama-Regierung bleibt die Last hoher Anteile an krisengeschüttelten Unternehmen. Wieder einmal - wie in den vergangenen Monaten bei US-Bankenriesen, den Hypothekengiganten Fannie Mae und Freddie Mac oder beim Versicherer AIG - springt „Uncle Sam“ mit Abermilliarden in die Bresche. Die Aufregung im Stammland des Freien Marktes derweil hält sich in Grenzen. „Hört auf über Verstaatlichung zu jammern - Banken brauchen Staatshilfe“, titelte unlängst selbst das konservative „Wall Street Journal“.

Doch die für amerikanische Verhältnisse ungewohnte Offenheit gegenüber Staatseingriffen muss nicht ewig währen. „Die Regierung hat kein Interesse, Anteile an Unternehmen länger als nötig zu halten und will ihre Eigentümerinteressen abgeben, sobald dies praktikabel erscheint“, heißt es aus dem Weißen Haus immer wieder. Sicher habe man ein Mitspracherecht bei der Besetzung des Vorstandes des „neuen GM“, räumt ein hoher Beamter ein. Allerdings werde man sich in dieser Funktion „sehr diszipliniert“ verhalten, wird beteuert.

Was nicht bedeutet, dass Obama den neuen Einfluss ungenutzt lässt: Bei den Banken drängt er er auf maßvollere Bezahlung von Managern, die Autobauer will er zum Bau spritsparender Modell bewegen. „Wir wollen so schnell wie möglich aus dem Geschäft der Hilfen für Autohersteller ausstiegen, ebenso wie bei den Banken“, sagte der Präsident. „Aber wir müssen einige strategische Entscheidungen über strategische Industrien treffen.“

Nicht nur mancher Branchenexperte bezweifelt, dass der Staat am Steuer die beispiellose Talfahrt des über 75 Jahre lang weltgrößten Autobauers stoppen kann. Hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel - abhängige Firmen wie Zulieferer eingerechnet sogar Millionen, rechnet die Branche vor. Der Problemberg von GM ist gigantisch: 88 Milliarden Dollar Verlust seit Anfang 2005, ein steiler Absatzeinbruch, bullige Pickups und spritfressende Blechkutschen statt flotter Kleinwagen und Öko-Autos. Die erschütternde Lage teilt GM mehr oder weniger mit den beiden anderen Leidensgenossen unter den einstigen „Großen Drei“ aus der Autostadt Detroit: Die einstige Daimler-Tochter Chrysler musste selbst schon durch die reinigende Insolvenz. Ford will es als Nummer zwei der USA wie bisher ohne Staatsspritzen schaffen - trotz Milliardenlöchern.

Ein „neuer“ GM-Konzern soll weit kleiner ausfallen, nach der Devise „Schrumpfkur statt Weltmarktführer“. Die Sanierung ist eine 180-Grad-Wende der Konzerngeschichte. Seit den Anfängen in Detroit wuchs General Motors rasant durch das Schlucken andere Marken erst in den USA, später weltweit. So verleibten sich die Amerikaner vor 80 Jahren auch Opel ein. Die Deutschen machten mit GM alle Facetten einer konfliktreichen Mutter-Tochter-Beziehung durch. Ganz kurz vor der Pleite der Mutter schaffte Opel nun die weitgehende Trennung der Familienbande. Der Ausgang der Geschichte ist für beide Seiten offen.

Mut macht sich GM mit Blick auf das unerwartet glatte Insolvenzverfahren von Chrysler. Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass der kleinere Wettbewerber schon nach gut einem Monat das Verfahren hinter sich bringen könnte. So meinten auch am Montag einige US-Kommentatoren: „Wenn GM überhaupt noch die Kurve kriegt, dann nur dank Obama“. Auf noch mehr Hilfe kann GM über die nun zusätzlich veranschlagten 30 Milliarden Dollar hinaus derweil nicht hoffen. „Das soll es dann gewesen sein“, betont ein enger Mitarbeiter des Präsidenten ernst.