Viele Sparer sind empört, denn die Sparkonditionen werden schnell reduziert - Dispo- und Ratenkredite bleiben aber teuer. Verbraucherschützer fordern Obergrenzen.
Hamburg. Thorsten Hoff ist entrüstet. "Die Banken und Sparkassen geben den günstigen Zinssatz, den sie zur Refinanzierung bekommen, nicht weiter. Die Geldinstitute berechnen weiter Superzinssätze, die man schon als Wucher bezeichnen kann", schreibt der Leser dem Abendblatt. Seinen Ärger hat das Abendblatt zum Anlass genommen, die Situation in Hamburg und bei drei Direktbanken zu testen.
Das Ergebnis: Die Banken geben vor allem beim Dispositionskredit die Zinssenkungen am Markt in immer geringerem Ausmaß an die Verbraucher weiter - und das bereits seit vielen Jahren. Finanzexperten bestätigten diesen Trend. "In diesem Marktsegment gibt es für die Banken keine Regeln, keinen Wettbewerb und keine Kartellaufsicht", sagt Udo Reifner, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen in Hamburg.
Seit Juli 2008 hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins schrittweise auf sein heutiges historisches Tief von 1,5 Prozent gesenkt, also um insgesamt 2,75 Prozentpunkte. "Davon sind bei den Verbrauchern im Durchschnitt nur 0,5 Prozentpunkte angekommen", sagt Max Herbst, Chef der FMH Finanzberatung, die Bankkonditionen vergleicht. Auch von Oktober 2000 bis Juni 2003 sanken die Leitzinsen um 2,75 Prozentpunkte, der Dispo ermäßigt sich aber immerhin noch um einen Prozentpunkt. Vergleicht man beide Perioden miteinander, wird deutlich: Mit jedem Zinszyklus steigt das Dispozinsniveau.
"Die Verbraucher werden von den Banken abgezockt", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Banken geben die Senkungen der EZB nur zögerlich an die Kunden weiter. Das zeigt in der Tabelle der Vergleich zwischen Juli 2008, als die Leitzinsen noch bei 4,25 Prozent lagen, und dem 10. März 2009, dem Stichtag für die Befragung. Bei Postbank und Hamburger Sparkasse (Haspa) müssen noch höhere Zinsen als im Juli 2008 bezahlt werden. "Wir senken ab 15. März den Dispozins auf 13,30 Prozent", sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg.
Da es in der Praxis keine Regeln für die Anpassung der Kreditzinsen gibt, wollte das Abendblatt wissen, wie niedrig die Konditionen in einer Niedrigzinsphase sein können. Mindestens so niedrig wie im Sommer 2003, als die EZB den Leitzins auf zwei Prozent gesenkt hatte, dürfte man erwarten. Deshalb haben wir auch nach diesen Konditionen gefragt. Doch das Ergebnis sieht anders aus: 77 Prozent der befragten Banken haben jetzt höhere Konditionen beim Dispo als 2003, obwohl der Leitzins jetzt noch niedriger ist. Das gilt auch, wenn man angekündigte Zinssenkungen von Instituten mit berücksichtigt.
Die Commerzbank verweist darauf, dass ihre Refinanzierungskosten nicht vom EZB-Leitzins, sondern vom Euribor, einem Zinssatz zu dem sich Banken untereinander Geld leihen, abhängen. "Die Refinanzierungssätze laufen nicht immer parallel zur Entwicklung der Leitzinsen", sagt eine Sprecherin. Ein Blick auf den Euribor zeigt aber: Er liegt nur wenige Basispunkte über dem Leitzins. Das ist jetzt nicht anders als 2003. "Die Banken haben hohe Verluste, die jetzt bei den Kreditnehmern wieder herausgeholt werden sollen", sagt Reifner.
"Die Refinanzierungskosten sind beim Dispokredit nicht allein ausschlaggebend", sagt Haspa-Sprecherin von Carlsburg. Denn die Risikobedingungen für unbefristet zur Verfügung stehende Kreditrahmen hätten sich in den vergangenen Jahren eher verschlechtert. Das heißt, die Banken fürchten höhere Kreditausfälle. Noch härter trifft es Verbraucher, die ihren Dispo überziehen. Dann werden Zinsen von bis zu 19,49 Prozent (Dresdner Bank) für die geduldete Überziehung fällig. Auch hier verlangen 77 Prozent der Banken höhere Zinsen als 2003. Die Aufschläge liegen zum Teil bei über einem Prozentpunkt.
Experte Reifner fordert deshalb feste Zinsobergrenzen für jede Kreditart wie in Frankreich, Italien, Polen und anderen Ländern. "Denn eine effektive Wuchergrenze gibt es in Deutschland nicht mehr und wenn die Zinsen wieder steigen, wird die Zinspolitik der Banken für die Verbraucher verheerende Auswirkungen haben."
Beim Vergleich der Ratenkredite lag der Umfrage ein konkreter Fall eines berufstätigen Familienvaters mitguter Bonität zugrunde. Deshalb ist es verwunderlich, dass der Kunde bei der Citibank 9,81 Prozent Zinsen zahlen muss, obwohl in den Filialen mit einem Zins ab 4,58 Prozent geworben wird. Warum das so ist, konnte die Bank am Freitag nicht begründen. Bei fast allen Banken sind die Zinsen seit Sommer 2008 zumindest leicht gesunken. "In diesem Marktsegment gibt es einen größeren Wettbewerb", sagt Experte Herbst. 85 Prozent der Banken haben niedrigere Zinsen als 2003. Das liegt aber nicht nur daran, dass hier Zinssenkungen schneller weitergegeben werden, sondern dass die Bonitätsbewertung der Kunden verfeinert wurde.
Die Festgeldzinsen belegen unterdessen, wie schnell die Anpassung gehen kann. Dieses Vorgehen wäre auch für Kreditzinsen wünschenswert.