Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Zinsen noch weiter senken. Bei dem Leitzins “ist noch ein wenig Spielraum vorhanden, den wir angesichts...

Hamburg. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Zinsen noch weiter senken. Bei dem Leitzins "ist noch ein wenig Spielraum vorhanden, den wir angesichts der Preisentwicklung auch nutzen sollten", sagte Bundesbankpräsident Axel Weber gestern in Hamburg. Der Leitzins liegt gegenwärtig bei 1,25 Prozent. Experten rechnen für den 7. Mai mit einer Zinssenkung der EZB auf ein Prozent.

Gleichzeitig warnte Weber, der im EZB-Rat sitzt, aber auch vor einer Reduzierung des Leitzinses auf ein Niveau von unter einem Prozent. "Geldmarktfonds wären bei einer solche Zinspolitik schlicht in ihrer Existenz bedroht", sagte er. Allein im Februar zogen Anleger offenbar wegen der niedrigen Verzinsung 60 Millionen Euro aus diesen Produkten ab, geht aus den Zahlen des Fondsverbandes BVI hervor. Größere Probleme könnten nach Webers Einschätzung mit einer Nullzinspolitik auch die Lebensversicherer bekommen, die ihren Kunden bestimmte Garantieverzinsungen zugesagt haben.

Anfang Mai will die EZB ankündigen, wie ihre Zinspolitik für den Rest des Jahres aussieht. "Es geht darum, für den Rest des Jahres den Refinanzierungsrahmen abzustecken", sagte Weber. Dabei geht es auch um unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen wie die Vergabe von Zentralbankgeld für einen längeren Zeitraum. Direkte Eingriffe in den Kapitalmarkt - also Wertpapierkäufe durch die EZB - lehnte Weber dagegen ab.

Die Bereinigung deutscher Bank-Bilanzen von Schrottanlagen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel inzwischen zur Chefsache gemacht. Das Volumen dieser Papiere wird auf mehrere hundert Milliarden Euro geschätzt. Sie sollen möglicherweise in eine Bad-Bank ausgelagert werden, um die Bilanzen zu entlasten. Ein erstes Treffen dazu soll am nächsten Dienstag im Kanzleramt stattfinden, an dem auch Weber teilnehmen wird. "Eine zentrale Giftmülldeponie zu Lasten der Steuerzahler wird es nicht geben", sagte Weber.

Deutschland hat Weber zufolge zwei Konjunkturprogramme aufgelegt, die in ihrem Gesamtvolumen durchaus "konkurrenzfähig" sind. Mit Ausnahme der Abwrackprämie sei ihre Wirkung aber noch gar nicht eingetreten. "Im Jahr 2010 wird Deutschland zu positiven Wachstumsraten zurückkehren", erwartet er. Für das laufende Jahr bleibt er skeptisch. "Wir werden den Großteil des Jahres 2009 mit negativen Wachstumsraten zu kämpfen haben." Ein weiteres Konjunkturpaket lehnte er dennoch ab. "Es gibt aus meiner Sicht derzeit keinen Grund für zusätzliche schuldenfinanzierte Fiskalprogramme", sagte er mit Blick auf eine wachsende Staatsverschuldung.

Nach Webers Einschätzung wird die Finanzkrise zu einem Strukturwandel führen. "Nicht alle Kreditinstitute werden in ihrer jetzigen Form die Finanzkrise überleben." Einen solchen Strukturwandel erwartet er auch für die Autoindustrie und die Werftindustrie. Diese Veränderungen würden die Banken bei ihren Kreditgewährungen bereits berücksichtigen.