Geschwister werden schlechter gestellt. Wer private Immobilien erbt, sollte dort möglichst auch langfristig wohnen.

Hamburg. Nach zähen Verhandlungen konnte sich die Koalition auf ein neues Erbschaftssteuergesetz geeinigt, das der Bundesrat am Freitag beschlossen hat. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Neuregelung erzwungen, weil das alte Erbschaftssteuerrecht verfassungswidrig war. Grund: Die unterschiedlichen Vermögensarten werden nicht nach einheitlichen Maßstäben bewertet. Gerade bei Immobilien und Betriebsvermögen liegen die Werte weit unter Marktniveau.

Künftig gilt der aktuelle Marktwert. Schlecht für Immobilienerben. "Bisher bewegte sich die Bewertung in einer Spanne von 60 bis 80 Prozent des Verkehrswertes", sagt Thomas Krüger, Partner der Hamburger Sozietät Schomerus & Partner. Beispiel: Ein Einfamilienhaus im Wert von 600 000 Euro wurde nur mit 360 000 Euro angesetzt. Zum Ausgleich gibt es nun höhere Freibeträge im Erbschafts- oder Schenkungsfall. So verdoppelt sich der Freibetrag für Kinder von 205 000 Euro auf 400 000 Euro und der Freibetrag für Ehegatten steigt von 307 000 Euro auf 500 000 Euro. Erst wenn der Wert einer Schenkung oder eines Erbes diese Beträge übersteigt, greift der Fiskus zu. Bei Enkeln erhöht sich der Freibetrag von 51 200 Euro auf 200 000 Euro.

Ehegatten und Kinder haben noch einen weiteren Vorteil: Sie müssen gar keine Erbschaftssteuer zahlen, wenn sie weitere zehn Jahre in Haus oder Wohnung wohnen bleiben. "Der Wert der Immobilie spielt keine Rolle, für Kinder gilt aber eine Einschränkung, dass die Wohnfläche nicht größer als 200 Quadratmeter sein darf", sagt Klaus Finnern von der Sozietät bdp Bormann Demant & Partner. Ausgeschlossen ist für diesen Zeitraum Vermietung, Verpachtung oder Verkauf. Was als großer Erfolg gefeiert wird, ist allerdings nicht wirklich neu: "Auch bisher konnte dem Ehegatten das selbst genutzte Haus steuerfrei übertragen werden", sagt Krüger. Steuerfreiheit gegen Wohnpflicht ist nicht ohne Tücken: Muss ein Kind - etwa wegen eines Jobwechsels - vor Ablauf der zehn Jahre ausziehen, fordert der Fiskus die Erbschaftssteuer nach. Auch Witwen oder Witwer können nicht absehen, ob sie wirklich noch zehn Jahre in dem Haus wohnen werden. Beruhigend: Tod vor Ablauf dieser Frist löst keine nachträgliche Steuerpflicht aus.

Schwieriger wird es, wenn ein anderer Wohnsitz aus gesundheitlichen Gründen gewählt wird. "Es gibt eine Härtefallregelung", sagt Oliver Heyder-Rentsch vom Bundesfinanzministerium. "Wenn eine Pflegebedürftigkeit vorliegt, spielt es keine Rolle ob der Erbe in ein Pflegeheim oder zu seinen Kindern zieht. Eine nachträgliche Steuerpflicht entsteht dadurch nicht." Allerdings sei der Wunsch, in eine altersgerechte Wohnung zu ziehen noch kein Härtefall.

Der Kern der Familie kann sich entspannt zurücklehnen. Das neue Erbschaftssteuerrecht begünstigt Ehegatten und Kinder. Bei einem umfangreichen Erbe spart die Ehefrau knapp 70 000 Euro an Steuern (siehe Beispielrechnung). Dafür sorgen die erhöhten Freibeträge und der Umstand, dass das Haus nicht mit einberechnet wird. Würde sie es nicht selbst nutzen, wären 75 000 Euro Erbschaftssteuer fällig. Auch ein Sohn ist klar im Vorteil, wenn er seinen Vater beerbt. Selbst bei einem umfangreichen Erbe spart er gegenüber der alten Regelung rund 61 000 Euro - aber nur, wenn er in das Haus für zehn Jahre einzieht. Sonst werden rund 148 000 Euro Erbschaftssteuer fällig. Dann käme der Sohn mit der alten Regelung besser weg. "Die Vorteile des neuen Erbschaftssteuerrechts hängen ganz entscheidend davon ab, ob die Immobilie versteuert werden muss oder nicht", sagt Krüger.

Geschwister, Neffen und Nichten sind die Reformverlierer. Ihre Steuerbelastung erhöht sich deutlich. Das bekommen sie vor allem zu spüren, wenn Immobilien vererbt werden. Die Verdoppelung des Freibetrages von 10 200 Euro auf 20 000 Euro verpufft. Gravierend hebt sich die Anhebung der Steuersätze aus. Diese Verwandten müssen vom ersten steuerpflichtigen Cent an bereits 30 Prozent Steuern bezahlen, bei hohen Beträgen sogar 50 Prozent. Besonders ärgerlich: Sie finden sich auf einer Stufe mit fremden Dritten. Zwar gibt es nach wie vor unterschiedliche Steuerklassen für diese beiden Personengruppen, die Steuersätze sind aber gleich hoch.

Der Ausweg: Bis zum Jahresende Immobilien zu verschenken. Das bedeutet nicht, das Heft des Handelns aus der Hand zu geben. "In Form des Nießbrauchs, also eines Nutzungsrechts an der Sache, können sich die Schenkenden absichern", sagt Nadja Sievers, Rechtsanwältin bei Schomerus & Partner. "Das selbst genutzte Haus kann schon an Bruder oder Schwester übertragen werden, der Schenkende behält ein lebenslanges Wohnrecht." Da Schenkungen von Immobilien notariell beurkundet werden müssen, sind auch Nießbrauchsrechte gut abgesichert. Wird ein Mietshaus oder eine vermietete Eigentumswohnung verschenkt, kann im Gegenzug die Zahlung einer lebenslangen Rente vereinbart werden.