Nonnenmacher hat noch keinen Überblick über die genauen Risiken in der Bilanz. Experten prüfen die Lage.
Hamburg. Die Umstände seiner Ernennung und seines ersten öffentlichen Auftritts im neuen Amt als Chef der HSH Nordbank waren alles andere als glücklich: Dirk Jens Nonnenmachers Beförderung vom Finanzvorstand an die Vorstandsspitze erschien manchen wie eine Übergangslösung - wenn nicht gar wie eine Verlegenheitslösung.
Doch dieser erste Eindruck könnte falsch sein, wie es im Umfeld der Landesbank nun heißt. Auch Nonnenmacher selbst lässt in einem Brief an die Mitarbeiter, der dem Abendblatt vorliegt, keine Zweifel an seiner Motivation, "unsere HSH durch diese turbulente Phase zu führen". Offenbar besteht aber selbst für ihn, der seit gut einem Jahr für das Unternehmen arbeitet, keine Klarheit im Hinblick auf bilanzielle Risiken für die Bank. "Nach heutiger Einschätzung wird es noch einige Zeit dauern, bis wir mit unseren hausinternen Fachleuten und externen Experten eine valide Einschätzung der Lage haben", heißt es in dem Schreiben. Dennoch sei er zuversichtlich für die Bank: "Die HSH ist operativ stark, und dazu tragen alle Bereiche bei."
Auch Nonnenmacher kann aber nichts daran ändern, dass die Zukunft der Bank so ungewiss ist wie noch nie. Denn Experten sind überzeugt, dass angesichts der sich immer weiter verschärfenden Finanzmarktkrise Bewegung in die zuletzt erstarrte Landesbanken-Szene kommt. So drängen die Sparkassen, Miteigentümer bei allen der landeseigenen Kreditinstitute, auf Fusionen: Aus den derzeit noch sieben unabhängigen Häusern sollen drei große Blöcke im Norden, in der Mitte und im Süden entstehen, wie ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands sagte. Für die HSH würde dies den Zusammenschluss mit der NordLB aus Hannover bedeuten.
Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust könnte schon demnächst ein Signal geben, wie er sich den Kurs der HSH vorstellt. Am Montag wird er an einer Konferenz hochrangiger Ländervertreter in Berlin teilnehmen, bei dem es um die Zukunft der Landesbanken gehen soll. Man begrüße die nun in Gang gekommene Diskussion und hoffe auf eine zügige Lösung, sagte Senatssprecher Christof Otto.
Zwar taten sich die Landesregierungen bisher meist schwer damit, die Kontrolle über "ihre" Banken abzugeben. "Aber den Politikern macht ihre Landesbank heute nicht mehr so viel Spaß wie früher", sagte Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management, dem Abendblatt. "Die Wahrscheinlichkeit von Fusionen nimmt zu." Faust teilt die Einschätzung des Sparkassenverbands: "Am Ende reichen zwei oder drei Landesbanken aus." Sie sollten sich nach Auffassung des Bankenexperten künftig darauf beschränken, die Sparkassen als Dienstleister zu unterstützen. Lohnend sei dieses Geschäft für die Landesbanken aber nur, wenn jeweils ein hinreichend großes Volumen zusammenkomme.
Für Faust besteht kein Zweifel daran, dass die Landesbanken überdurchschnittlich stark von der Finanzmarktkrise betroffen sind. In der Mehrzahl hätten sie "kein so klares Geschäftsmodell". Außerdem steckten sie in einem Dilemma: "Die Politiker würden sie gern als Instrument zur Förderung der Wirtschaft in ihren Bundesländern einsetzen. Gleichzeitig dürfen sie aber den Sparkassen möglichst keine Konkurrenz machen." Als Konsequenz seien Landesbanken-Manager ausgewichen auf Kapitalmarktgeschäfte, die zwar eine höhere Rendite versprachen, aber auch ein höheres Risiko mit sich brachten - und dies wird nun vom Markt drastisch bestraft. Dabei treffe die Landespolitiker durchaus eine Mitschuld an der Misere: "Die Aufsichtsräte der Landesbanken sind nur bedingt kompetent besetzt."
Zunächst aber geht es primär darum, die Institute in den Strudeln der Krise über Wasser zu halten. Am Freitag verdichteten sich die Anzeichen, dass man in Baden-Württemberg ein Hilfspaket auf Landesebene für die LBBW schnüren wird - so wie auch Kiel eine Landeslösung gemeinsam mit Hamburg für die HSH Nordbank bevorzugt. Dagegen sähe es Hamburgs Finanzsenator Michael Freytag lieber, wenn sich die Bank außer den Bürgschaften von bis zu 30 Milliarden Euro auch eine weitere Eigenkapitalspritze von mindestens einer Milliarde Euro vom Bund holen würde.
Täte sie dies, müsste sie auch die strengen Auflagen akzeptieren, die an die Nutzung des Kapitals vom Staat geknüpft sind. Dazu gehört die Kappung der Vorstandsgehälter auf je 500 000 Euro in den nächsten Jahren. Alle Chefs größerer Landesbanken strichen zuletzt aber Medienberichten zufolge Jahreseinkommen von mehr als einer Million Euro ein. Schon dies könnte es der HSH Nordbank erschweren, demnächst einen neuen Chef zu finden, meint Branchenexperte Faust, "zumal dieser Job derzeit ohnehin nicht so attraktiv ist".