Der Kampf um die Macht beim Volkswagenkonzern geht in die entscheidende Phase. Am Sonntag teilte der Familienclan Porsche/Piëch mit, dass er bereits...

Hannover/Wolfsburg. Der Kampf um die Macht beim Volkswagenkonzern geht in die entscheidende Phase. Am Sonntag teilte der Familienclan Porsche/Piëch mit, dass er bereits 42,6 Prozent der Anteile an Europas größtem Autobauer besitzt und zudem 31,5 Prozent Optionen für VW-Stammaktien hat - insgesamt also 74,1 Prozent. Ziel seien 75 Prozent, so Porsche. Damit wäre der Weg für einen Beherrschungsvertrag frei. Solch ein Beherrschungsvertrag könnte für Porsche überlebenswichtig werden, um wegen der drohenden strengeren EU-Grenzwerte den hohen Verbrauch der eigenen Sportwagen mit den Fahrzeugen des Massenherstellers VW zu verrechnen.

Nachdem es dem Porsche-Clan gelungen war, die ersten 20 Prozent der Aktien quasi unbemerkt zusammen zu kaufen, sind in Erwartung weiterer Zukäufe durch die Inhaber des Sportwagenherstellers Porsche die VW-Aktien jüngst zum Spekulationsobjekt geworden.

Völlig gegen den Markttrend ging es lange Zeit nach oben, jetzt halbierte sich der Kurs binnen zwei Wochen auf kaum mehr als 200 Euro. Dass Porsche ohne jede Meldepflicht dennoch die erreichten 42,6 Prozent mitteilte und von den weiteren Optionen berichtete, soll offenkundig das Auf und Ab des Kurses bremsen.

Gleichzeitig hat die Europäische Kommission laut "Spiegel" nun doch den Versuch gestartet, auch das neue VW-Gesetz zu Fall zu bringen, das dem Land Niedersachsen bei nur 20 Prozent der Anteile ein Vetorecht sichert. Sonst sind 25 Prozent für ein Veto notwendig. Die Kommission will Mittwoch einen Beschluss fassen, nach dem das Gesetz auch in seiner neuen Fassung gegen EU-Recht verstößt. Berlin hat dann eine letzte Chance, neue Argumente vorzulegen.

Unter Druck gerät jetzt die niedersächsische Landesregierung unter Ministerpräsident Christian Wulff (CDU). Der ist zerstritten, vor allem mit VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, hat aber in der Vergangenheit auch mit Rücksicht auf den Koalitionspartner FDP offen gelassen, ob das Land seinerseits versucht, sich auf 25 Prozent hoch zu kaufen. Nur dann wäre Niedersachsen auf der sicheren Seite, sollte das VW-Gesetz vom EuGH gekippt werden. Dies fordert nicht nur die SPD in Hannover.

Aus steuerlichen Gründen ist es für den niedersächsischen Haushalt wichtig, dass Volkswagen seinen Hauptsitz in Wolfsburg behält. Die Anteile des Landes an den großen Gemeinschaftssteuern orientieren sich nämlich an der Wirtschaftskraft, die rein rechnerisch bei einer Abwanderung der VW-Zentrale nach Stuttgart in Baden-Württemberg zunehmen und in Niedersachsen abnehmen würde.

Strikt gegen einen Beherrschungsvertrag ist auch der bei VW traditionell mächtige Betriebsrat. Dessen Chef Bernd Osterloh pocht auf das VW-Gesetz und die Firmensatzung: "Deshalb müssen einige Herren aufpassen, dass ihr Traum nicht zum Albtraum wird." Der aber könnte auch den 360 000 VW-Beschäftigen drohen: Laut "Spiegel" geht die EU davon aus, dass die Kanzlerin keinen Widerstand mehr gegen ein Kippen des VW-Gesetzes leisten wird.