Die anhaltenden Turbulenzen an den weltweiten Finanzmärkten bringen die Akteure an Schweizer Bankenplätzen wie Zürich oder Genf erheblich ins Schwitzen.

Genf. Zwar verzeichnen schon jetzt die Verkäufer von Luxusautos deutliche Rückgänge. Doch das könnte erst der Anfang sein. Sogar Verhältnisse wie in Island, wo der Staat kurz vor dem Bankrott steht, werden unter Experten für die Eidgenossenschaft nicht mehr wie bisher entrüstet ausgeschlossen, sollte sich die Lage weiter verschlechtern.

Die seit Tagen anhaltende Talfahrt der Kurse der Finanz- und der Versicherungsaktien zeigt, wie verletzlich das Land mit seinem hohen Anteil des Finanzmarktes am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist. Die Sorge ist deshalb groß, dass die Schweiz bald im internationalen Finanzkonzert weit nach hinten abfällt. Sorge bereitet auch die von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) neu angestoßene Steuerdiskussion. Ein neuer US-Präsident Barack Obama könnte noch viel drastischer reagieren, wird befürchtet.

Wie ein Treppenwitz kommt einem heute vor, dass es ausgerechnet der Schweizer Bankenprimus UBS im Jahr 2001 ablehnte, der trudelnden Traditionsfluglinie Swissair beizuspringen und sie vor dem Absturz zu retten. Monatelang hatten die UBS-Manager danach in der Finanzkrise beschworen, ihre Bank sei - obwohl sie in Europa am stärksten von der US-Hypothekenkrise betroffen ist - bestens kapitalisiert. Nach zwei Kapitalerhöhungen auf dem freien Markt war Mitte Oktober Schluss. Der Staat musste der Bank unter die Arme greifen, ein Paket von gesamt 68 Milliarden Franken (damals 44,5 Mrd Euro) rettete den mit zwei Billionen Franken weltgrößten Vermögensverwalter - vorläufig.

Etwa 55 Milliarden Franken wurden schon von der UBS abgezogen, zumeist umgeschichtet auf kleinere Banken. Die UBS befindet sich in der größten Krise ihrer Geschichte. "Wir kommen gar nicht mehr dazu, über die Wertentwicklung mit unseren Kunden zu sprechen. Die Leute wollen vor allem wissen: ist mein Geld sicher?", sagt Vorstandsmitglied Jürg Zeltner der Schweizer "Handelszeitung". Geht die UBS pleite, dann dürfte die Finanz-Schweiz fertig sein - dies ist mittlerweile nahezu gängige Meinung unter Bankenexperten.

Ein weitere Bedrohung des Schweizer Finanzsektors - mit 320 Banken, einem BIP-Anteil von knapp 15 Prozent, einem Anteil an den gesamten Steuereinnahmen von 16 Prozent sowie rund 200 000 Arbeitsplätzen - kommt aus den USA. Der Präsidentschaftskandidat der Demokraten Obama will ebenfalls wie Steinbrück Steueroasen austrocknen und hat dabei auch die Schweiz im Visier. Sein radikaler Ansatz sieht vor, dass jede Anlage in einem solche Steuerhafen als Steuerflucht angesehen wird - bis zum Beweis des Gegenteils. Jede amerikanische Form von Finanzanlage, aber auch der Investitionen etwa in Unternehmen, würde in der Schweiz, die auch stark vom industriellen Export abhängt, erschwert.

Für den früheren SPD-Finanzminister Hans Eichel ist das starke Bankgeheimnis der Schweiz "kein Geschäftsmodell mit Zukunft". Wenn man auf die Schweiz blicke, gehöre sie zu jenen Ländern, die im Vergleich zu ihrer Größe einen übergroßen Bankensektor haben, sagte Eichel ebenfalls der "Handelszeitung". Hier müsse man sich fragen, ob diese kleinen Länder für ihren Bankensektor nachhaltig Garantien abgeben können wie die großen EU-Länder, in denen der Bankensektor volkswirtschaftlich nicht die gleiche Bedeutung hat. Experten pflichten bei, dass die Regierung in Bern viel zu lange gezögert hat - erst was das Rettungspaket für die UBS und nun was die Zusammenarbeit in Europa angeht.

Er sei überzeugt, dass "keine Schweizer Bank zusammenbrechen wird", sagte vor Wochen noch der Präsident der Schweizer Bankiersvereinigung Pierre Mirabaud. Dem Bankensystem gehe es sehr gut, man könne bei uns nicht von einer Bankenkrise sprechen. Nun sprechen auch UBS-Banker von der größten Bankenkrise seit den 80er Jahren. Spekuliert wird, ob die Regierung in Bern weitere Pläne in der Schublade zur Rettung des Finanzplatzes hat. Aber selbst wenn, gilt als sicher, dass bei den riesigen Bilanzsummen der Schweizer Banken jeder Staat überfordert wäre. Es muss einfach gut gehen - sonst stehen die Eidgenossen vor dem Ruin.