Es fehlen noch konkrete Zusagen über 5,5 Milliarden Euro von privaten Finanzinstituten. Bundesbank mit Brandbrief an Finanzminister.

Hamburg. An der Börse kehrt der Glaube an eine Zukunft für die Hypo Real Estate (HRE) offenbar zurück: Nach dem dramatischen Kursverlust am Vortag von fast 80 Prozent legten die Papiere des Münchner Immobilienfinanzierers gestern zeitweise um mehr als 20 Prozent zu. Zum Schleuderpreis von weniger als fünf Euro waren die Aktien des DAX-Konzerns durchaus gefragt - obwohl dessen Zukunft nach dem hastig geschnürten Rettungspaket mehr als offen ist.

Nach langwierigen Verhandlungen war mit den privaten Banken unter Mitwirkung von Bundesbank und der Aufsichtsbehörde BaFin vereinbart worden, dass die HRE rund 35 Milliarden Euro Kredite von Privat- und Notenbanken erhalten soll. Die Bundesregierung und die Banken sollen dies absichern durch eine Bürgschaft in gleicher Höhe, von denen der Bund 26,6 Milliarden Euro trägt. Von den Liquiditätshilfen sollen 20 Milliarden Euro von Zentralbanken und 15 Milliarden Euro von der deutschen Finanzbranche kommen. Zu den Kreditgebern zählen Finanzkreisen zufolge die Deutsche Bank, die Commerzbank, die Postbank und die HVB, bislang aber nicht die noch zur Allianz gehörende Dresdner Bank. Vom Landesbankenlager seien unter anderem die BayernLB und die LBBW dabei. Mit der genossenschaftlichen DZ Bank liefen noch Gespräche, sagte ein Insider.

Neben den Krediten ist noch umstritten, wer letztlich die vereinbarte Ausfallbürgschaft übernimmt. Sprecher des Bankenverbands BdB und des Bundesfinanzministeriums bestätigten gestern Informationen aus Finanzkreisen, wonach die Geschäftsbanken lediglich drei Milliarden Euro der ausgehandelten Garantien stellen. Dies sei bei den Krisengesprächen am Wochenende so vereinbart worden. Weitere 5,5 Milliarden Euro sollen andere Finanzinstitute wie etwa Versicherer übernehmen. Entsprechende Gespräche liefen auf Hochtouren, sagte ein Insider. Die Bundesregierung hatte am Montag noch erklärt, die Privatbanken stellten die gesamten Bürgschaften über rund 8,5 Milliarden Euro.

Kanzlerin Angela Merkel verteidigte den milliardenschweren Rettungsplan für den DAX-Konzern gestern trotz dieser Unsicherheiten. Die Bürgschaft des Bundes sei nötig zur Vertrauensbildung bei Bürgern und Wirtschaft, sagte die CDU-Chefin. Auch nach Einschätzung der Bundesbank und der Finanzaufsicht BaFin war der Notplan unbedingt erforderlich, um "schwerste Störungen der Geldmärkte" zu verhindern. In einem Brief von Bundesbank und BaFin an Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) heißt es: "Nach Einschätzung der Beteiligten hätte das Unterlassen einer Rettungsaktion für die HRE-Gruppe für das deutsche Finanz- und Wirtschaftssystem ähnliche unabsehbare Folgen auslösen können, wie sie der von der US-Regierung akzeptierte Zusammenbruch der amerikanischen Finanzgruppe Lehman Brothers hatte."

Weiter heißt es in dem dem Abendblatt vorliegenden Schreiben, eine Pleite hätte eine große Gruppe von Gläubigern, etwa öffentliche Banken, in Mitleidenschaft gezogen. "Die Auswirkungen eines Ausfalls hätten auch breit gestreut Versorgungswerke, Berufsgenossenschaften sowie deutsche Länder und Kommunen erfasst, die teilweise dreistellige Millionenbeträge bei der Hypo Real Estate Gruppe angelegt haben", warnten Bundesbank-Präsident Axel Weber und BaFin-Chef Jochen Sanio den Minister in ungewöhnlich dramatischem Tonfall.

Selbst wenn die HRE durch die laut Steinbrück "größte Rettungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik" erst einmal überlebt, wird sie sich aber radikal verändern und verkleinern. Im Rahmen der Hilfsaktion hatte die Hypo Real zugesichert, sich von Finanzierungen im Wert von rund 50 Milliarden Euro zu trennen. Schließlich pochen die Banken, die gemeinsam mit dem Bund helfen, auf Sicherheiten und Vermögensverwertung. Dazu soll eine Zweckgesellschaft gegründet werden, die mit einer Banklizenz ausgestattet wird und frisches Notenbankgeld von 20 Milliarden Euro für die Bank bereitstellt. Zugleich werden Anteile an den vier HRE-Töchtern auf die Zweckgesellschaft übertragen, die damit praktisch das Kernvermögen erhält.

Die Bundesregierung kann bei ihrer Milliardenbürgschaft auf die Unterstützung der beiden Koalitionsfraktionen setzen. Unionsfraktionschef Volker Kauder und sein SPD-Kollege Peter Struck nannten das Vorhaben richtig: Kauder betonte aber, wo der Bund Bürgschaften übernehme, sollten auch Bonussysteme oder Abfindungen von Managern abgeschafft werden.

Auch die SPD trägt die Staatsbürgschaft mit, weil anderenfalls "schwere Verwerfungen" in der Wirtschaft gedroht hätten, so Struck. Er gehe davon aus, dass die Bürgschaft nicht in Anspruch genommen werden muss.

Kritik kam von den Grünen: "Die Beteiligung der Privatbanken muss deutlich über das bislang verhandelte Ergebnis hinaus ausgeweitet werden", so Haushaltsexperte Alexander Bonde. Auch müsse der Bund Gegenleistungen wie die Übertragung von Aktien fordern.

Die EU-Kommission wird sich äußern, wenn das Paket durch parlamentarische Instanzen gegangen ist. Die Kommission wacht darüber, dass bei Nothilfen der freie Wettbewerb nicht leidet.