München. In Deutschlands Chefetagen schwindet der Glaube an ungebrochenem Konjunkuraufschwung spürbar. Darauf weist der Geschäftsklimaindex des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung hin, der im Juni unter der Last steigender Ölpreise unerwartet stark von 103,5 Punkten im Vormonat auf 101,3 Punkte und damit auf den tiefsten Stand seit Ende 2005 gefallen ist. Konjunkturexperten hatten zuvor nur einen etwa halb so starken Rückgang auf 102,3 Punkte erwartet.

Der Ölpreis wirkt sich vor allem bremsend auf die bisherige Konjunkturstütze Export aus. Verkäufe ins Ausland werden künftig geringere Impulse liefern, sagen die von Ifo befragten 7000 heimischen Manager. Ein völliger Exporteinbruch drohe jedoch nicht. "Es sieht noch nicht nach einer Rezession aus", sagte Ifo-Experte Klaus Abberger.

Gleichwohl werde der Beschäftigungsaufbau an Kraft verlieren, stellte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn klar. In die Knie gegangen ist die Stimmungslage der heimischen Wirtschaft vor allem in der Industrie. Aber auch im Handel, an dem der Aufschwung ohnehin bisher fast spurlos vorübergegangen ist, rechnet man künftig mit noch schlechteren Geschäften. Denn die starke Teuerung dämpft die Kaufkraft. Nur am Bau steigt die Stimmung leicht.

Sowohl ihre aktuelle Lage wie ihre Aussichten für die kommenden sechs Monate beurteilen Deutschlands Manager laut Ifo zunehmend skeptisch. Börsianer rechnen deshalb für das zweite Halbjahr 2008 mit einer konjunkturellen Eintrübung. Für das zu Ende gehende Frühjahrsquartal befürchten sie nach dem kräftigen Hoch im Anfang des Jahres eine rückläufige Wirtschaftsleistung.

Die demnächst erwartete Zinserhöhung der europäischen Zentralbank, die damit die Teuerung bekämpfen will, sehen Börsianer zunehmend kritisch. Unter dem Strich zeigen die Daumen für 2008 aber noch nach oben. So glaubt der Industrieverband BDI weiter an Wirtschaftswachstum. "Wir im BDI sind nach wie vor der Meinung, dass ein Plus um zwei Prozent realistisch ist", sagte Verbandspräsident Jürgen Thumann beim Berliner Tag der deutschen Industrie.

Der BDI verlangt von der Bundesregierung nun vor allem, die Mittelschicht rasch mit Steuersenkungen zu entlasten und damit die Binnennachfrage zu stärken. Die Steuereinnahmen würden seit Jahren kräftig steigen und Entlastungen erlauben, so der BDI-Präsident. Auch Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) ist für Steuerentlastungen etwa durch einen höheren Grundfreibetrag. Auch könnte der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 3,3 Prozent gesenkt werden.

Bundespräsident Horst Köhler forderte gestern beim BDI-Tag in Berlin , das Ziel der Vollbeschäftigung in die Reformagenda 2020 aufzunehmen. Damit könnte Deutschland ein "Bollwerke gegen Armut" errichten, sagte der Bundespräsident. Zugleich müsse das Tempo beim Umbau der Sozialsysteme sowie bei Reformen im Finanz- und Steuerbereich erhöht werden.