Landwirte erwarten steigende Preise. Agrarminister will auch mit Molkereien, Handel und Biobauern sprechen.

Hamburg. Die Milchbauern haben beim ersten Spitzengespräch mit Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) mehr Marktmacht gefordert und mit neuen Protesten gedroht. "Die Bauern sind ungeduldig, die Bauern erwarten Ergebnisse", sagte der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber, gestern beim Treffen von Bauern und Ländervertretern in Berlin. Es könnte zu einem neuen Lieferboykott kommen, wenn langfristig keine Aussicht auf steigende Preise bestehe. Kurzfristig bestehe dafür keine Gefahr, sagt BDM-Sprecherin Jutta Weiss dem Abendblatt.

Das Treffen ist eine Konsequenz aus dem zehntägigen Lieferstopp der Milchbauern. Der Durchbruch, den Seehofer vor zwei Wochen verkündet hatte, stand schon wenige Tage danach wieder infrage. Denn als Marktführer Aldi die Milch zugunsten der Bauern nicht wie Discounter Lidl um zehn Cent, sondern nur um sieben Cent pro Liter für Verbraucher verteuerte, zog Lidl gleich nach. Der scharfe Wettbewerb lässt wenig Raum für höhere Milchpreise. Den Molkereien wollen die Handelsketten zehn Cent zahlen. Was bei den Bauern ankommt, ist unklar: Die Auszahlungen stehen im Juli an. Schaber sprach nun von einem Diktat des Handels und verlangte eine bessere Steuerung der Milchmenge.

Seehofer sagte den Milchbauern Unterstützung zu. "Für mich ist das Wichtigste, dass die Bauern verlässliche und nachhaltige Rahmenbedingungen bekommen, damit nicht bei jeder Schwankung von Preisen gleich die Existenzfrage aufkommt." Nötig sei ein Gesamtpaket, das abgestimmt werden müsse. Seehofer will innerhalb der kommenden zwei Wochen auch mit Molkereien, Handel und Biobauern sprechen.

Bauernpräsident Gerd Sonnleitner forderte gleiche Augenhöhe zwischen Handel, Milchwirtschaft und Landwirten. Beim Einzelhandel gebe es einen Marktführer, der den Preis vorgebe, aber mehr als 100 Molkereien und über 100 000 Milchbauern. "Deswegen sind die jetzigen schlechten Preise keine Marktpreise, sondern erpresste Preise", sagte Sonnleitner

Das Bundeskartellamt hatte am Tag zuvor eine Untersuchung "von der Kuh bis zur Ladentheke" angekündigt. Alle Vermarktungsstufen vom Bauern, über die Molkereien und die Milch verarbeitende Industrie bis zum Handel sollen untersucht werden, um herauszufinden, ob es Ungereimtheiten bei der Preisbildung gibt.

Der Einzelhandel wies die Kritik an seiner Preispolitik zurück. "Wer zu teuer ist mit seinen Preisen, wird aus dem Wettbewerb früher oder später ausscheiden", sagte der Geschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Hubertus Pellengahr.

Der BDM wollte bei Seehofer unter anderem erreichen, dass die Verrechnung der Milchquoten der Bauern untereinander zum Jahresende abgeschafft wird. Der Verband verspricht sich davon, dass die Bauern dann ihre Produktion besser den Absatzmöglichkeiten der Molkereien anpassen können. Jeder Bauer wüsste exakt, wie viel er abliefern darf, und dass er für jedes überlieferte Kilo zahlen müsste. Eine Abschaffung der Saldierung wäre also ein Instrument der Selbstdisziplinierung der Bauern.

Seehofer sieht eine Reduzierung der Milchmenge allerdings skeptisch. Dies könne durch Lieferungen aus dem Ausland ausgeglichen werden, weil der Milchmarkt inzwischen international sei. Mit der Milchquote beschränkt die EU die in den 27 Mitgliedsländern produzierte Milch. Seit April beträgt sie 145 Millionen Tonnen. Jedem Milchbauern wird eine bestimmte Quote zugeteilt. In Deutschland registrieren die Molkereien die abgelieferten Mengen, addieren sie und machen zum Jahresende eine Rechnung auf: Wenn die Lieferungen insgesamt im Rahmen der Quote blieben, brauchen Bauern, die ihre eigene Quote wesentlich überschritten haben, keine Sanktionen befürchten. Ist die Quote jedoch insgesamt überschritten, werden 15 bis 18 Cent je überliefertes Kilo Milch fällig.