Gespräch über den Abschwung der US-Konjunktur, die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, zu hohe Steuern und die Entwicklung der Aktienmärkte.

Abendblatt:

Folgt der Krise an den Finanzmärkten noch eine Krise der Weltwirtschaft?

Heise:

Auch in der Vergangenheit haben wir immer wieder Finanzmarktkrisen erlebt, die nicht die Weltwirtschaft in eine Krise gestürzt haben. Was sich derzeit in der Finanzwelt abspielt, ist eine Korrektur, die nach Jahren der Euphorie und viel zu hoher Risikobereitschaft der Marktteilnehmer notwendig war.



Abendblatt:

Rutscht die US-Wirtschaft in die Rezession ab?

Heise:

Man wird die aktuelle Konjunkturentwicklung in den USA im Nachhinein wohl als Rezession einstufen. Wichtig ist die Frage, wie lange dieser Abschwung andauert und wie stark er ausfällt. Die US-Notenbank hat mit drastischen Zinssenkungen reagiert, die auch die Belastung der dortigen Immobilienbesitzer durch die Hypothekenkredite abmildern. Außerdem gewährt der Staat den Bürgern Steuerrückzahlungen. Diese Instrumente werden wirken und daher halte ich es für realistisch, dass die US-Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2008 positiv überraschen kann.



Abendblatt:

Aber wie stark wird der aktuelle Abschwung in den USA auch die deutsche Wirtschaft belasten?

Heise:

Ich glaube nicht, dass die gegenwärtige Schwäche der USA stark auf die Weltwirtschaft und damit auch auf uns übergreift. Die Abschwächung des US-Konsums wird natürlich fühlbar werden, aber nur in wenigen Branchen wie möglicherweise der Autoindustrie gravierende Auswirkungen haben. Bei Investitionsgütern, die einen erheblichen Teil der deutschen Exporte ausmachen, sehe ich ohnehin kaum negative Effekte. Zudem ist Deutschland im Hinblick auf den Export in Regionen, die von der US-Wirtschaft wenig abhängen, sehr gut positioniert. Ich denke dabei etwa an die Golfstaaten, Mittelosteuropa oder auch Russland.



Abendblatt:

Ihre Wachstumsprognose für Deutschland?

Heise:

Wir rechnen mit einem Wachstum in diesem Jahr von 1,8 Prozent. Die jüngsten Konjunkturdaten in Deutschland haben diese Prognose bestätigt.



Abendblatt:

Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass gerade die sogenannte Mittelschicht in Deutschland finanziell immer stärker unter Druck gerät. Wie sehen Sie dieses Phänomen?

Heise:

Ohne Zweifel wird die Mittelschicht sehr stark belastet. Auch für das Jahr 2007 zeigen die Daten wieder kaum einen Anstieg der Löhne, während die Preise etwa für Benzin, Heizöl und für Nahrungsmittel deutlich angezogen haben. Nicht vergessen sollten wir auch die Mehrwertsteuererhöhung, die ja besonders Menschen mit niedrigeren und mittleren Einkommen trifft. Man sollte die Regierung an den damaligen Plan erinnern, im Gegenzug die direkten Steuern zu senken.Auch für Menschen in unteren Einkommensgruppen mit vielleicht 1200 Euro Bruttogehalt im Monat ist wegen der hohen Abgabenbelastung zum Beispiel eine private Altersvorsorge gar nicht mehr bezahlbar. Ich würde hier zunächst die Einkommensteuer reduzieren und vielleicht sogar in die Richtung einer negativen Einkommensteuer in Form eines Zuschusses denken. In vielen anderen Ländern funktioniert das.



Abendblatt:

In Tarifverhandlungen werden derzeit teils sehr hohe Lohnforderungen gestellt. Ist der Verteilungsspielraum wirklich größer geworden?

Heise:

Der Spielraum hat sich erfreulicherweise erhöht. Zwar geht es in den Tarifverhandlungen teilweise an die Grenze des Vertretbaren. Aber 2008 ist nun einmal das Jahr des Nachholens. Das kann ich nicht kritisieren. Die höheren Abschlüsse werden ja auch wesentlich dazu beitragen, dass der Konsum sich erholt. Zumindest in einzelnen Branchen kommt der Aufschwung schon bei den Arbeitnehmern an. Man muss allerdings bedenken, dass ein Großteil der Preissteigerungen, vor allem bei der Energie, die Unternehmen genauso trifft wie die Verbraucher. Wenn zu dem Kostenschock noch ein Lohnkostenschock hinzukäme, dann hätten wir ein Problem. Aber an diesem Punkt sind wir noch nicht.



Abendblatt:

Was erwarten Sie für den Aktienmarkt in diesem Jahr?

Heise:

Für die nächsten Monate wird es so schwankungsanfällig weitergehen. Dies ist nicht die Zeit, auf kurzfristige Gewinne zu spekulieren. Denn der Markt ist immer noch von großer Unsicherheit geprägt und in so einer Phase können auch einmal alte Tiefststände getestet werden. Ich glaube aber, dass wir im zweiten Halbjahr ein Comeback der US-Wirtschaft sehen werden und dort wieder Wachstumsraten von 2,5 Prozent drin sind. Wenn der Aktienmarkt erst seine Rezessionsangst ablegen kann, dann werden die Kurse kräftig anziehen. Ich bleibe bei meiner Prognose, dass der DAX am Jahresende oberhalb von 8000 Punkten liegt.