Staatsanwaltschaft durchsucht Betriebe und Kühlhäuser. Ergebnis der beschlagnahmten Fleischproben in der kommenden Woche.

Oldenburg. Deutschland steht offenbar vor einen Gammelfleischskandal in einem bislang kaum vorstellbaren Umfang. Ausgerechnet einer der Branchenführer, das Geflügelzuchtunternehmen Heidemark aus Garrel im Landkreis Cloppenburg, soll nach Angaben früherer Mitarbeiter viele Tonnen verdorbenes Geflügelfleisch an Discounter geliefert haben. Das Unternehmen aber bestritt dies gestern energisch, sprach sogar von "Machenschaften".

In der Vergangenheit waren es eher kleinere Unternehmen, die in den Verdacht geraten sind, Gammelfleisch umetikettiert und anschließend an Gaststätten oder Imbisse verkauft zu haben. Dies entspricht dann immer mindestens einem Verstoß gegen das Lebens- und Futtermittelgesetz.

Die neue Dimension dieses Falles machte jedoch gestern die Handelskette Metro deutlich. Sie nahm ausdrücklich als reine Vorsorgemaßnahme alle Produkte von Heidemark aus ihren Verkaufsregalen.

Metro reagierte damit auf das förmliche Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in Oldenburg, die ebenfalls gestern drei Firmensitze sowie vier Kühlhäuser durchsuchte und Fleisch beschlagnahmte. Zudem wurden Akten sichergestellt. Das Geflügel stammt laut Staatsanwaltschaft von April 2007.

Die Proben werden nun darauf untersucht, ob sie lebensmitteltauglich sind. Das Ergebnis der Prüfung soll jedoch frühestens Anfang nächster Woche feststehen. Dann sollen amtliche Untersuchungsergebnisse der Fleischproben vorliegen, hieß es gestern weiter dazu.

Gleich drei ehemalige Mitarbeiter von Heidemark, die im Zuge der Schließung des Ahlhorner Werkes entlassen wurden, beschreiben in Eidesstattlichen Erklärungen, in den Monaten April und Mai seien täglich ganze Lastwagenladungen mit verdorbenem Fleisch aus Polen angeliefert worden. Dieses "glitschige und übelriechende Fleisch" hätten sie dann umetikettieren und teilweise mit frischem Fleisch vermischen müssen.

Das Unternehmen stritt die Vorwürfe gestern ab und ging zum Gegenangriff über. Heidemark glaubt, das hinter den aus Unternehmenssicht ungerechtfertigten Vorwürfen die Gewerkschaft NGG steckt. Die sehe derzeit vor Gericht ihre "Felle davonschwimmen". Dabei gehe es um Verfahren vor den Arbeitsgerichten nach Schließung des Ahlhorner Werkes im Frühjahr 2007 und der Entlassung der dort rund 200 bis dahin beschäftigten Mitarbeiter. Das Unternehmen verweist zudem darauf, dass die Ex-Mitarbeiter erst fünf Monate nach der Schließung ihre Vorwürfe erhoben hätten.

Die Schließung begründet Heidemark jetzt damit, dass die eigenen Qualitätsstandards in dem kurz zuvor übernommenen Betrieb nicht umsetzbar gewesen seien. Deshalb habe man die Produktion in den Stammbetrieb in Garrel im Kreis Oldenburg verlagert. Das Unternehmen versicherte, man wolle die Staatsanwaltschaft unterstützen und rechne "mit einer Entkräftung der Vorwürfe". Bei regelmäßigen Kontrollen habe es bei Heidemark bisher keine Auffälligkeiten gegeben, so das Landwirtschaftsministerium in Hannover.

Heidemark ist mit Hunderten von Beschäftigten nicht nur ein wichtiger Arbeitgeber in der Region Weser/Ems. Darüber hinaus mästen etliche Bauern im Auftrag von Heidemark Puten. Branchenexperten schätzen, dass Heidemark rund ein Drittel der deutschen Geflügel-Frischfleischproduktion an Hähnchen und Puten abdeckt. Mit etwa 1000 Mitarbeitern macht die Firma knapp 200 Millionen Euro Umsatz.

Gegründet wurde das Unternehmen 1970 in Garrel im Kreis Cloppenburg, einem Teil der Weser/Ems-Region, in der mehr als 50 Prozent der deutschen Geflügelproduktion konzentriert sind. Der Aufstieg der Region sowie des Unternehmens Heidemark ist eng verbunden mit der steigenden Beliebtheit von Geflügelfleisch bei den Konsumenten.

Heidemark, ein Familienunternehmen, galt bislang als vorbildlich wegen des Aufbaus der vollständigen Wertschöpfungskette von der Kükenaufzucht bis hin zu Schlachtung und Vermarktung. Die Firmengruppe hat darüber hinaus immer wieder betont, man wende ein eigenes Qualitäts-Managementsystem an, um einwandfreie Produkte zu liefern.