Die Erben der von den Nazis enteigneten jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim erhalten von KarstadtQuelle 88 Millionen Euro Entschädigung.
Düsseldorf. Die Erben der von den Nazis enteigneten jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim erhalten von KarstadtQuelle 88 Millionen Euro Entschädigung. Die Einigung kam erst nach jahrelangen und schwierigen Auseinandersetzungen zustande. "Wir waren gehalten, unserer Verantwortung gegenüber der Geschichte gerecht zu werden", sagte KarstadtQuelle-Chef Thomas Middelhoff am Freitag. Der Direktor der Jewish Claims Conference (JCC), Roman Haller, sprach von einem "wichtigen Durchbruch für die Überlebenden in aller Welt". Die JCC hatte den Konflikt mit KarstadtQuelle stellvertretend für die Wertheim-Erben durchgefochten.
Es ging um wertvolle Berliner Grundstücke aus dem ehemaligen Wertheim-Besitz, die nach der Hertie-Übernahme dem Essener Warenhauskonzern zugefallen waren. Die Sprecherin der Wertheim-Erben, Barbara Principe, zeigte sich erleichtert. "Wir alle in meiner Familie sind sehr froh, dass Karstadt am Ende Größe und Vernunft gezeigt hat und diesen historischen Konflikt gütlich beendet hat", sagte sie. "Meine Familie dankt all jenen in Deutschland, von denen sie über viele Jahre moralisch stets Unterstützung erfahren haben."
Middelhoff sagte, mit der Einigung habe der "komplexeste Restitutionsfall in der Geschichte des Vermögensrechts nach dem Fall der Mauer ein Ende" gefunden. Damit seien alle noch strittigen Fragen zwischen den Parteien erledigt. Dazu zähle auch die Rücknahme aller Klagen in Deutschland und den USA, sodass für das Unternehmen und seine Aktionäre nun Rechtssicherheit herrsche. Die Belastung durch die Zahlung der 88 Millionen Euro habe das Unternehmen bereits in der Bilanz des Jahres 2006 durch Rückstellungen weitgehend verarbeitet.
Das Geld kommt nach Hallers Angaben überwiegend der Familie Wertheim zugute. Daneben würden Fonds für die Überlebenden des Holocaust unterstützt. Haller wies auf das hohe Alter der Überlebenden hin. "Es nützt nichts mehr, wenn wir es in zehn Jahren bekommen hätten."
Der gerichtliche Konflikt zwischen dem Warenhauskonzern und den etwa 50 Überlebenden der von den Nazis aus Deutschland vertriebenen Wertheim-Familie wurde seit 2000 ausgetragen. Kernpunkt der Einigung ist eine Entschädigung für ein Grundstück im sogenannten Lenne-Dreieck am Potsdamer Platz. Nach der Wende hatte der Berliner Senat dort früheren Wertheim-Grundbesitz für den symbolischen Preis von einer Mark dem Kaufhausriesen Hertie überlassen. Nachdem KarstadtQuelle Hertie übernommen hatte, verkaufte der Konzern das Gelände in Berlin-Mitte für 145 Millionen Euro an den Metro-Eigentümer Otto Beisheim. Mit einer Rückforderung in dieser Größenordnung war auch die Claims Conference ursprünglich in der Verhandlungen gegangen.
Die Börse reagierte weitgehend gelassen auf die nun ausgehandelte Entschädigung. Die KarstadtQuelle-Papiere sackten zunächst zwar ab, schlossen am Ende aber mit 0,22 Prozent nur minimal im Minus.