Leihhäuser profitieren von steigendem Goldpreis und der restriktiven Kreditvergabe der Banken. Mittelständler als Hauptkunden.

Hamburg. Inge Grüner hält die Lupe ans Auge. "5000 Euro, mehr geht nicht", sagt die Filialleiterin im Pfandhaus Grüne nach kurzem Blick auf das Ziffernblatt des Stahlchronographen. Ihre Kollegin geht zur Geldkassette und zählt einen Packen Fünfhunderter und Zweihundert-Euro-Scheine ab. Durch den Spalt unter der Panzerglasscheibe hindurch reicht sie der Kundin mit der dunkelblauen Steppjacke das Geld, die dafür die Uhr als Pfand hergibt.

"Das ist die schnellste und diskreteste Art, an Geld zu kommen", sagt Inge Grüner später über das zweitälteste Gewerbe der Welt, die Pfandleiher. Und diesen Service wissen immer mehr Menschen zu schätzen: Rund 500 Millionen Euro Umsatz erwartet der Zentralverband des deutschen Pfandkreditgewerbes für 2006: rund 50 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. "Der Trend zum schnellen Geld hält an", sagt der Verbandsvorsitzende Joachim Struck. 200 Pfandhäuser gibt es bundesweit, rund eine Million Bundesbürger haben 2006 deren Angebot genutzt.

Wie viele Hamburger ihre Wertgegenstände bei den Pfandleihern hinterlegen, um einen Kredit zu bekommen, zählt zwar niemand. Aber auch Inge Grüner beobachtet anziehende Geschäfte: "Die Höhe der von uns ausgezahlten Darlehen ist seit vergangenem Jahr um 20 Prozent gestiegen", sagt die eloquente Hamburgerin mit dem charmanten Humor.

Die Mehrzahl der Kreditnehmer komme aus dem Mittelstand. "Die Banken lassen die Selbstständigen doch heute im Regen stehen", sagt Grüner, dabei hätten viele einfach wegen der schlechten Zahlungsmoral ihrer Kunden Geldnöte. Auch wüssten nur die wenigsten Angestellten, "wie viele Chefs das Gehalt oder jetzt das Weihnachtsgeld mit geliehenem Geld aus dem Leihhaus zahlen", so die gelernte Pfandleiherin, die aber auch die schweren Schicksale kennt. Denn die Kunden erzählen ihr oft ihre ganze Lebensgeschichte, sie berichten von Geldnot nach dem Tod des Ehemannes oder der Drogensucht eines Kindes.

Im Lager geht Grüner an Regalen mit unzähligen Waren vorbei, von denen man häufig auf die Berufe oder Hobbys der Kunden schließen kann. Die Bohrmaschinen lassen Handwerker hier, IT-Spezialisten bringen Laptops, Musiker kommen mit Klarinetten, Violinen oder Flöten. Zu den häufigsten Pfandgegenständen zählen aber nach wie vor Schmuck und Uhren. "90 Prozent" nennt Inge Grüner den Anteil in ihrer Filiale. Jährlich über 100 000 Luxusuhren kommen in die Pfandleihen. In der Dominanz der Schmuckpfänder liegt übrigens auch ein Grund für den derzeitigen Boom: Der Goldpreis liegt sehr hoch. Immerhin legte der Preis pro Feinunze (31 Gramm) 2006 um rund 20 Prozent auf 630 Dollar zu.

"Die absoluten Renner sind aber Uhren von Rolex, Cartier, Breitling, Omega und Ebel", sagt Struck. Zur Versteigerung kommen sie indes kaum, denn neun von zehn der Zeitmesser werden wieder abgeholt. Viele werden aber auch erst gar nicht angenommen. Grüner: "Täglich entdecken wir Uhren, die gefälscht sind."