Gammelfleisch: Neuer Fund. 30 bis 40 Prozent weniger Umsatz. Bundesregierung will Gesetz gegen Preis-Dumping - es soll aber weiterhin Ausnahmen geben.
Hamburg. Der Gammelfleisch-Skandal verdirbt den Menschen im Norden den Appetit auf Döner: Er habe einen "Umsatzeinbruch von 30 bis 40 Prozent zu verkraften", sagte Norddeutschlands führender Döner-Produzent Ertan Celik dem Abendblatt. Der Unternehmer erwartet sogar eine längere Durststrecke und denkt schon über Kurzarbeit für einen Teil seiner 49 Mitarbeiter nach, die jeden Tag etwa fünf Tonnen Spieße produzieren. "Es wird jetzt wie nach dem BSE-Skandal einige Monate so weitergehen, bis die Leute wieder mehr Döner essen", sagt Celik, der allein in der Hansestadt etwa jeden dritten Döner-Imbiss beliefert.
Die Branche war in Verruf geraten, als bei einem Münchner Händler vor zwei Wochen Dutzende Tonnen verdorbene Döner-Spieße gefunden worden waren. Im Zuge der Ermittlungen war auch von einer Döner-Mafia die Rede gewesen, die hinter den Machenschaften stecken soll.
Um schwarzen Schafen in der Branche das Handwerk zu legen, sprach sich jetzt der Verein türkischer Dönerhersteller in Europa gegen das Preis-Dumping aus. Sir Atesever, Vorsitzender des Vereins, schlug im "Tagesspiegel" einen Mindestpreis von drei Euro für das Gericht vor. "Das spiegelt das angemessene Preis-Leistungs-Verhältnis wider", sagte Atesever mit Blick auf jene Dönerbuden, die sich einen häufig existenzbedrohenden Kampf um Marktanteile liefern.
Auch die Bundesregierung will als Konsequenz aus dem Gammelfleischskandal gegen zu niedrige Preise für Lebensmittel vorgehen. Sie bereitet ein Gesetz vor, das den Verkauf von Fleisch unter Einstandspreis untersagt, auch wenn er zeitlich begrenzt ist.
Der Einzelhandelsverband HDE lehnt staatliche Preiskontrollen allerdings ab. Und Händler betrachten die Umsetzbarkeit einer solchen Regelung mit Skepsis: "Der echte Einstandspreis ist schwer zu prüfen. So kann ein Händler zum Beispiel die Werbekostenzuschüsse unterschiedlich auf die Produkte umlegen", sagte Bernd Enge von den Edeka- und Sparmärkten Glasmeyer und Niemerszein in Hamburg, die nach eigenen Angaben keine Einbußen beim Fleischverkauf beobachten. "Wenn ein Kontrolleur dann nach zwei Monaten ein Vergehen gegen das Gesetz feststellt, ist die Preisaktion schon vorbei", kritisiert Enge.
Angesichts der komplizierten Preispolitik plant die Regierung ein vollständiges Verbot des Preis-Dumpings ohnehin nicht. Es werde "Ausnahmen geben, die auch weiterhin Schnäppchen möglich machen", sagte der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, Steffen Moritz. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer zählt dazu Waren auf Wochenmärkten oder in Supermärkten, die zu verderben drohen. Darauf müsse beim Verkauf aber hingewiesen werden. Ausgenommen werden sollen auch Saisonartikel wie Schoko-Weihnachtsmänner und der günstige Verkauf für karitative Zwecke.
Unterdessen forderte die SPD ein Einschreiten des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zur Eindämmung des Gammelfleischskandals. Stoiber müsse seinen Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf anweisen, die Namen der Händler aufzudecken, die wissentlich Gammelfleisch in Umlauf gebracht hätten, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ulrich Kelber. Dies sei schon nach den geltenden Bestimmungen möglich, wenn dadurch Gefahren für die Bevölkerung abgewehrt werden könnten. Die Behörden müssten nicht auf das Verbraucherinformationsgesetz warten, das in den nächsten Wochen vom Bundesrat verabschiedet werden soll.
Dabei scheint für Gegenmaßnahmen Eile geboten zu sein: In einem Kühlhaus in Frankfurt hat das Veterinäramt gestern tonnenweise verdorbenes Rindfleisch gefunden. Das Fleisch ausländischer Herkunft habe ein weit überschrittenes Haltbarkeitsdatum gehabt. Bei einem Teil des Fleisches war das Etikett mit den Angaben zur Haltbarkeit auch entfernt. Nach bisherigen Erkenntnissen ist aber kein Gammelfleisch dieses Betriebes in den Handel gelangt. Auch sieht das Amt keinen Zusammenhang mit dem Fleischskandal in Bayern. Nach den neuen Vorkommnissen hat man in Frankfurt die Kontrollen verschärft.