BERLIN. Deutschland hat gute Chancen, in diesem Jahr dank sprudelnder Steuereinnahmen erstmals seit 2001 wieder die Defizitvorgaben des Euro-Stabilitätspaktes einzuhalten. Im ersten Halbjahr 2006 lag das Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialkassen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von gestern bei 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hält es nach den jüngsten Zahlen nach wie vor für "wahrscheinlich", auch im Gesamtjahr unter der Obergrenze von 3,0 Prozent zu landen und damit ein Jahr früher als geplant die Maastricht-Kriterien wieder zu erfüllen. Die Bundesbank und führende Wirtschaftsforscher gehen dagegen bereits jetzt fest davon aus, dass Deutschland schon 2006 die Defizitvorgaben erfüllen wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies wie Steinbrück erneut Forderungen zurück, angesichts der positiven Halbjahreszahlen auf die Anhebung der Mehrwertsteuer zu verzichten.

Verantwortlich für die gesunkene Defizitquote sind vor allem höhere Steuereinnahmen. Die Einkünfte aus Einkommens- und Gewerbesteuer sprudelten kräftig, aber auch aus der Mehrwertsteuer, die 2007 um drei Prozentpunkte erhöht werden soll. Der gestiegene Gewinn der Bundesbank steuerte ebenfalls seinen Teil bei, während sich die Sozialbeiträge leicht rückläufig entwickelten.

Insgesamt stiegen die Einnahmen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 3,2 Prozent, die Ausgaben kletterten um 0,6 Prozent. Der Saldo lag mit 28,2 Milliarden Euro mehr Ausgaben als Einnahmen um zwölf Milliarden Euro unter dem Vorjahreswert. Im ersten Halbjahr 2005 hatte das Finanzierungsdefizit des Staates noch 3,7 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, im Gesamtjahr 3,3 Prozent. Für 2006 hat Steinbrück bisher ein Defizit von 3,1 Prozent an die EU gemeldet. Für 2007 erwartet er 2,5 Prozent. Die neue Prognose wird Ende September übermittelt. Steinbrück wie auch das Statistische Bundesamt warnten davor, das "erfreuliche Ergebnis" der ersten sechs Monate auf das Gesamtjahr hochzurechnen. Einnahme- und Ausgabeströme seien nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt.