Mode: Designkonzern schreibt seit Jahren tiefrote Zahlen. Aufstieg und Fall einer Hamburger Marke. Werk in Ellerau dicht, in der Sander-Zentrale arbeiten nur noch 40 Beschäftigte.
Hamburg. Die Mitarbeiter von Jil Sander nahmen es gefaßt: Das Hamburger Modeunternehmen wird schon wieder verkauft. Der italienische Luxusgüterkonzern Prada gibt seine deutsche Tochter an die britische Investorengruppe Change Capital Partners ab. "Was soll ich dazu sagen", meinte eine kaufmännische Angestellte von Jil Sander gestern zum Abendblatt. "Ende des Monats bin ich sowieso hier weg." Wie so vielen ihrer Kollegen wurde der Frau gekündigt.
Tatsächlich: Der Verkauf ist der vorläufige Höhepunkt eines langen Leidenswegs der Marke Jil Sander und ihrer Mitarbeiter. Um die Firma für einen Investor "hübsch" zu machen, hat Prada seine deutsche Tochter in den vergangenen Monaten gewaltig abgespeckt. Die Fabrik in Ellerau mit rund 160 Beschäftigten wurde geschlossen, die Hamburger Zentrale wurde von rund 120 auf 40 Mitarbeiter zusammengestutzt, Bereiche wie das Design wurden von Jil Sander in Hamburg zu Prada nach Mailand verlagert.
Dabei hatte alles so hoffnungsvoll angefangen - 1968 in Pöseldorf. Damals hat die junge Mode-redakteurin Jil Sander ihren Traum verwirklicht und eine eigene Boutique gegründet. Sie wurde mit ihrer Bekleidung, die so gar nicht dem Mode-Mief der damaligen Zeit entsprach, schnell der Liebling der feinen Hamburger Gesellschaft. Das Geschäft florierte - nicht nur an Alster und Elbe. Die schnörkellose Mode der Hamburger Textilingenieurin war bald in ganz Deutschland begehrt - und Jil Sander machte sich selbst zur Marke. Offenbar so erfolgreich, daß auch Produzenten von Parfüm, Gürteln, Taschen, Schuhen, Kosmetik und anderen Accessoires auf die Hamburger Modeschöpferin aufmerksam wurden. Mit einer Kosmetikserie startete sie 1979 gemeinsam mit der Firma Lancaster in das Geschäft der Nicht-Bekleidungsartikel, das in späteren schlechten Zeiten die Verluste aus der Bekleidung zwar nicht ausgleichen, aber abmildern konnte.
Zehn Jahre später dann der Höhepunkt der Karriere von Jil Sander: 1989 wandelte die Designerin ihre Firma in eine Aktiengesellschaft um, brachte sie an die Börse. Die Designerin verdiente damit Millionen, ihre kleine Firma aus Pöseldorf wurde zum Modekonzern mit Weltruf. Von den bescheidenen Anfängen des Unternehmens zeugte damals nur noch der kleine Laden in der Milchstraße.
Im Jahr des Börsengangs erwirtschaftete die Jil Sander AG noch 24,4 Millionen Mark (zwölf Millionen Euro) vor Ertragssteuern, was einer Rendite von 22,5 Prozent entsprach. Doch der Erfolg hatte auch seinen Preis. Um die Marke auch gut zu vermarkten, mußte Jil Sander immer mehr Geld in teure Verkaufsgeschäfte in aller Welt stecken. Das ging lange gut, doch mit der Asienkrise in der zweiten Hälfte der 90er Jahre und den gleichzeitig sehr hohen Investitionen in die erste Männermoden-Kollektion schmolz der Gewinn 1997 auf nur noch 6,5 Millionen Mark (3,3 Millionen Euro).
Gleichzeitig gab es neue Modetrends und Jil Sander, die sich immer ihrer sachlichen Linie treu geblieben ist, hatte plötzlich Absatzprobleme. Rettung sollte der italienische Prada-Konzern bringen, der 1999 alle Anteile von Jil Sander übernahm. Die Hamburgerin sollte als Designerin im Unternehmen verbleiben, das geschäftliche allerdings sollte Prada erledigen.
Doch was auf den ersten Blick wie eine Zukunftssicherung für den Modekonzern aussah, erwies sich zumindest für Jil Sander selbst als Anfang vom Ende. Die Designerin und der oft ruppig auftretende Prada-Chef Patrizio Bertelli verstanden sich nicht. Jil Sander verließ das Unternehmen im Jahr 2000. Daß Jil Sander künftig ohne Jil Sander sein sollte, kam bei den Kunden nicht gut an. Das Unternehmen rutschte in die roten Zahlen. Allein im Jahr 2003 betrug der Verlust 28,4 Millionen Euro. Im gleichen Jahr gelang es Bertelli auch, Jil Sander zur Rückkehr in das von ihr gegründete Unternehmen zu bewegen - aber nur für kurze Zeit. Im November 2004 zieht sich die Designerin wieder zurück. Neben der unterschiedlichen Temperamente von ihr und Bertelli sollen auch Auseinandersetzungen über finanzielle Fragen der Grund für die neuerliche Trennung gewesen sein.
Ob der jetzige Übernehmer Change Capital Partners (CCP) die heute 62jährige Jil Sander nochmals ins Unternehmen holen will, blieb gestern offen. CCP-Partner Stephan Lobmeyr sagte nur, daß Jil Sander weiter wachsen solle. CCP werde vor allem in den Vertrieb investieren und neue Läden eröffnen. "Wir haben ein klares Investitionsprogramm für Jil Sander", sagte Lobmeyr, ohne konkrete Summen zu nennen. Jil Sander solle nach dem inzwischen abgeschlossenen Konzernumbau zu einer bedeutenden Modemarke werden.
Als Folge der Schließung des Betriebs in Ellerau im vergangenen Jahr durch Prada und dem Kahlschlag in der Hamburger Zentrale soll Jil Sander laut Lobmeyr in diesem Jahr bei einem Umsatz von 140 Millionen Euro erstmals wieder einen operativen Gewinn erzielen.