Unternehmen Hamburg: Das Abendblatt-Forum im Hotel Elysee. Justizsenator Roger Kusch über das neue Gefängnis, Notare und Gerichte. Auszüge seiner Rede.

Hamburg ist nicht nur Motor für die Wirtschaft im Norden, sondern auch eine Metropole des Rechts. Auf Grund des hervorragenden Rufs der Hamburger Gerichtsbarkeit, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, vereinbaren zahlreiche auswärtige Unternehmen und Kaufleute Hamburg als Gerichtsstand für die Abwicklung von Rechtsstreitigkeiten. Für sie sind die für wirtschaftliche Streitigkeiten zuständigen Kammern für Handelssachen des Landgerichts Hamburg von besonderer Bedeutung.

Das hohe Ansehen der Kammern mag einer der Gründe sein, daß insbesondere die Zahl der Wettbewerbssachen bei den Kammern für Handelssachen exorbitant ansteigt. Dem großen Andrang haben wir durch die Schaffung weiterer Wettbewerbskammern Rechnung getragen. Auch der große Sachverstand der Hamburger Notare wird über die Stadtgrenzen hinaus geschätzt. Regelmäßig wenden sich auch Vertragsparteien, die nicht in Hamburg ansässig sind, zur Beurkundung von Verträgen an Hamburger Notare. Wie attraktiv Hamburg auch bei den Notaren ist, hat eine ganzseitige Stellenanzeige von Justizbehörde und Notarkammer gezeigt. Gesucht wurden fünf Notarassessoren. Wir hätten nicht fünf, sondern 50 Stellen mit hochrangigen Bewerbern aus ganz Deutschland besetzen können. So gut ist Hamburg unter den Notaren angesehen.

Doch Hamburg ist nicht nur überregional, sondern auch international ein bedeutsamer Justizstandort. Seit dem Jahr 2000 residiert hier das einzige internationale Gericht Deutschlands - der Internationale Seegerichtshof. Die Lebensqualität einer Metropole in der Größenordnung Hamburgs wird maßgeblich auch dadurch bestimmt, daß man sich frei und sicher in ihr bewegen kann. Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit. Die Aufgabe verantwortungsvoller Justizpolitik liegt darin, Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten.

Die Hamburger haben 2001 mehrheitlich für einen Politikwechsel gestimmt, weil sie uns das Vertrauen geschenkt haben, die innere Sicherheit besser in den Griff zu bekommen. Zugegeben, es wäre absurd zu versprechen, daß Hamburg mit der Reeperbahn und dem Hafen so sicher werden könnte wie München. Aber die Stadt ist, das belegen Zahlen der Gesamtkriminalstatistik, seit 2001 deutlich sicherer geworden. Gerade habe ich den zweiten Bauabschnitt der Justizvollzugsanstalt Billwerder eingeweiht. Vorgefunden habe ich 2001 Pläne für eine Anstalt des offenen Vollzugs, die 50 Millionen Euro gekostet hätte. Daraus haben wir eine Anstalt des geschlossenen Vollzugs gemacht und 92 Millionen Euro investiert. Das ist viel Geld, das wir gern auch anderweitig ausgegeben hätten. Aber, um Hamburg sicherer zu machen, brauchen wir solche Investitionen. Statt der von Rot-Grün geplanten 380 haben wir jetzt 800 Haftplätze.

Jetzt müssen wir unsere Gefangenen nicht mehr in andere Bundesländer schicken, wenn die Vollzugsanstalt Fuhlsbüttel komplett belegt ist. Wir haben mit dem Bau alles verwirklicht, was wir im Wahlkampf 2001 versprochen hatten. Die Sicherheit der Bevölkerung und die Resozialisierung von Straftätern lassen wir uns einiges kosten. Kein anderes Bundesland gibt mehr Geld für den Strafvollzug aus als wir.

Die Justiz kann die Gesellschaft nicht gerechter machen, sie kann nur dabei helfen, das Recht durchzusetzen. Das versuchen wir etwa durch die Schaffung neuer Strukturen. So wurden die Bezirksjugendgerichte und die Familiengerichte auch auf die Stadtteile verteilt. Gerade diese Gerichte müssen nah bei den Bürgern sein.

Vieles, was uns in der Rechtspolitik berührt, sind Bundesgesetze. Die deutsche Wirtschaft leidet unter zuviel Bürokratie, zu vielen Gesetzen und zu vielen Verordnungen. Aus diesem Grund halte ich das zur Zeit heftig diskutierte Antidiskriminierungsgesetz für schädlich. Anders als man vermuten könnte, wird dieses Gesetz, das Diskriminierung etwa aus rassistischen Gründen oder einer fehlenden Gleichbehandlung von Männern und Frauen verhindern soll, nicht zu mehr Gerechtigkeit führen. Staatlich aufgenötigter Zwang und ideologische Gängelei zum Nachteil der Wirtschaft sind kein Gewinn für den Rechtsstaat. Denn das alte rot-grüne Antidiskriminierungsgesetz bringt große Belastungen für die Wirtschaft, etwa wenn sich Firmen gegen Vorwürfe verteidigen müssen, sie hätten bei Neueinstellungen Bewerber wegen Religion, Geschlecht oder Staatsangehörigkeit diskriminiert.

Aus meiner Sicht war es einer der größten Fehler der der Vergangenheit angehörenden rot-grünen Bundesregierung, daß sie den Erlaß dieser Richtlinien nicht verhindert hat. Doch auch in der neuen schwarz-roten Koalition spielt die SPD ihr eigenes Spiel. Statt, wie üblich in solchen Bündnissen, mit einer Stimme nach außen zu sprechen, plädierten SPD-Abgeordnete in einer Bundestagsdebatte für einen Antrag der Grünen zu Verabschiedung des Gesetzes. Die Bedenken des rechtspolitischen Sprechers der CDU wurden nicht zur Kenntnis genommen, obwohl im Koalitionsvertrag eine 1:1-Umsetzung der europäischen Richtlinie vereinbart worden ist. Dessen ungeachtet lobten die Rechtspolitiker der SPD das alte rot-grüne Gesetz, das die europäischen Vorgaben bei weitem überbietet. Das zeigt, daß die neue Bundesregierung zumindest die eher schwierige Rechtspolitik noch nicht hinreichend in ihrem Fokus hat und es dort noch einigen grundsätzlichen Klärungsbedarf gibt.