Prognose: Umsatz sinkt um ein Prozent. Branche steht vor turbulenter Tarifrunde. Ver.di fordert 6,5 Prozent mehr Lohn für die rund 57.000 Beschäftigten.

Hamburg. Der Chef des Hamburger Einzelhandelsverbands ist normalerweise für seinen Optimismus bekannt. Doch für dieses Jahr zeichnet auch der Geschäftsführer Ulf Kalkmann ein eher düsteres Bild. "Mehr als 200 Geschäfte in Hamburg werden wegen der aktuellen Wirtschaftskrise in diesem Jahr ihre Betriebe schließen müssen." Dies sind zwei Prozent der insgesamt rund 10.000 Geschäfte im Hamburger Einzelhandel. Auch die Umsatzentwicklung dürfte ins Minus rutschen. Kalkmann rechnet mit Einnahmerückgängen von einem Prozent.

Damit fällt die Prognose des Hamburger Verbandschefs sogar noch schlechter aus als die des bundesweiten Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE). Für ganz Deutschland rechnet der HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr für 2009 mit insgesamt 5000 Geschäftsaufgaben. Heruntergerechnet entfielen damit auf Hamburg nur etwa 120 Läden statt mehr als 200.

"Die Mieten sind das Problem, das vielen Einzelhändlern jetzt das Genick bricht", sagte Pellengahr der "Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung". Nicht nur große Kaufhausketten wie Woolworth oder Hertie steckten derzeit in der Krise. Viele Mittelständler würden in diesem Jahr die Waffen strecken. "Über die redet niemand." Pellengahr forderte deshalb vor allem die Immobilienbesitzer auf, die Mieten zu senken.

"Kaufzurückhaltung geht langsam los"

Kalkmann sieht die Hauptgründe für Insolvenzen vor allem in der Wirtschaftskrise. "Die Kaufzurückhaltung geht jetzt langsam los", so Kalkmann. Wenn die Zahl der Kurzarbeiter und Arbeitslosen weiter steigt, hätten die Menschen immer weniger Geld zum Ausgeben zur Verfügung. "Dies geht dem Handel verloren."

Besonders ärgert die Hamburger Einzelhändler die Abwrackprämie für Autos: "Hier wird eine Branche durch Subventionen klar bevorzugt. Das darf nicht sein", so Kalkmann. Stattdessen plädiert der Geschäftsführer des Hamburger Einzelhandels für eine "Abwrackprämie für alle Güter", wie dies jetzt der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, gefordert hatte.

"Wenn, dann müssen die Subventionen allen zugute kommen." In Hamburg könne unterdessen nicht grundsätzlich von zu hohen Mieten gesprochen werden. "Dies kommt auf den Einzelfall an", meint Kalkmann. "Wenn Mieten aufgrund rückläufiger Umsätze zu hoch werden, sollten die Geschäftsleute mit ihrem Vermieter in Verhandlungen treten und versuchen, zumindest vorübergehende Mietsenkungen zu erreichen."

"Fantasie- und effektvolle Aktionen"

Unterdessen steht der Einzelhandel offenbar vor harten Tarifauseinandersetzungen. Die Gewerkschaft Ver.di hat bereits erste Warnstreiks angedroht. Noch im April und verstärkt dann im Mai und Juni könnten im Rahmen der laufenden Tarifrunden Streikaktionen sowohl im Einzelhandel als auch im Groß- und Außenhandel starten, sagte die stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Margret Mönig-Raane der "Welt".

Mönig-Raane kündigte "sehr fantasie- und effektvolle Aktionen" an, zumal gleichzeitig die Tarife für den Groß- und den Einzelhandel verhandelt werden: "Wenn im Lager des Großhändlers wegen Arbeitskampfmaßnahmen kein Lkw rausgeht, kommt im Einzelhandelsladen auch keine Ware an. Da können wir mit wenig Aufwand viel erreichen."

In Hamburg ist unterdessen noch kein Protest zu erwarten. "Unsere erste Verhandlungsrunde findet am 6. Mai statt", sagte der zuständige Gewerkschafter Ulrich Meinecke dem Abendblatt. "Bis dahin sind keine Aktionen geplant."

"Aufschlag über den Inflationsausgleich hinaus"

Die Arbeitgeber kritisierten unterdessen die Ankündigung von Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaften als verfrüht. "Streiks anzukündigen, wo der Verhandlungsverlauf noch gar nicht absehbar ist, halten wir für überzogen", sagte der Geschäftsführer des Hauptverbands des deutschen Einzelhandels (HDE), Heribert Jöris.

Für die rund 57 000 Beschäftigten in Hamburg fordert Ver.di 6,5 Prozent mehr Lohn - oder mindestens 150 Euro monatlich mehr Geld, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Ein Angebot der Arbeitgeber liegt noch nicht vor. Mönig-Raane forderte für die bundesweit rund 2,7 Millionen Beschäftigten des Einzelhandels als Angebot der Arbeitgeber "einen spürbaren Aufschlag über den Inflationsausgleich hinaus". Die Unternehmen könnten sich trotz der Krise deutliche Lohnaufschläge leisten, was auch ein Konjunkturprogramm wäre.

Die 26.500 Beschäftigten im Bremer Einzelhandel kamen unterdessen nach fast zwei Jahre langen Verhandlungen gestern endlich zu einem Tarifabschluss - der allerdings nur für die Vergangenheit gilt: Gewerkschaften und Arbeitgeber einigten sich auf eine Erhöhung von drei Prozent rückwirkend zum 1. Mai 2008. Außerdem gibt es eine Einmalzahlung von 400 Euro. Für die nächsten zwölf Monate hat Ver.di in Bremen bereits ihre neue Forderung formuliert: 6,5 Prozent, mindestens aber 120 Euro mehr.