Immer mehr Hamburger Unternehmen beantragen Kurzarbeit: Waren Anfang des Jahres noch 177 Betriebe mit 4800 Beschäftigten betroffen, schnellte die Zahl innerhalb von nur drei Monaten nach Angaben von Rolf Steil, dem Chef der Hamburger Arbeitsagentur, auf aktuell 800 Firmen mit insgesamt 30.000 Arbeitnehmern hoch.

Hamburg. Steil sprach gegenüber dem Abendblatt von einer "dramatischen Entwicklung", wies aber darauf hin, dass einige Betriebe die Anträge auch vorsorglich stellen würden. Real könne man derzeit von 20 000 Kurzarbeitern in Hamburg ausgehen, das seien rund 2,5 Prozent der Beschäftigten.

Die Liste der Betriebe, die Kurzarbeit anmelden - in Hamburg pro Monat rund 300 - steigt deshalb so rasant, weil jetzt laut Steil "auch kleinere Firmen mit 10 bis 15 Mitarbeitern dazukommen, die zuvor nie an Kurzarbeit gedacht haben". Und die dieses Instrument jetzt nutzen würden, "weil sie ihre Leute halten wollen, und die früher vielleicht entlassen hätten".

Für die Beschäftigten bedeutet es laut Steil zweierlei: "Sie haben zum einen am Monatsende weniger Geld im Portemonnaie." Der Betrieb bezahlt bei Kurzarbeit das Entgelt für die geleistete Arbeit, der Verdienstausfall wird von der Agentur für Arbeit in einer gewissen Höhe ausgeglichen. Ledige erhalten in der Regel 60 Prozent des Nettolohnes für die nicht geleistete Arbeitszeit, Verheiratete 67 Prozent.

Zum anderen blieben die Menschen, so Steil, "in der Betriebswirklichkeit" und bekämen das Gefühl vermittelt, sie seien "so wertvoll, dass man sie halten will". Entlassungen, vor allem auch von qualifizierten und eingearbeiteten Mitarbeitern, werden erst einmal verhindert. Weshalb viele Länder Deutschland um dieses Modell beneiden und sich mittlerweile auch dafür interessieren würden, erzählt Steil und berichtet von einem Besuch des koreanischen Fernsehens vor drei Wochen.

Je rasanter der Anstieg der Kurzarbeiter - bundesweit sind inzwischen 1,7 Millionen Anträge gestellt, im Jahresdurchschnitt 2008 waren es 60 000 - desto heftiger die Diskussion, wie lange Kurzarbeit helfen kann, die Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

Im Grunde erkauft sich die Politik für viel Geld (2,1 Milliarden Euro wurden im Nachtragshaushalt bewilligt) Zeit und wartet darauf, dass die Konjunktur wieder anspringt. Wann das aber sein wird, mag niemand mehr seriös prognostizieren. Steil, der daran erinnert, dass die Normalität in Hamburg 1000 Kurzarbeiter waren - "200 bis 300 auf dem Bau, der Rest konjunkturbedingt" - fragt sich, ob die angezeigten 30 000 Kurzarbeiter, vor zwei Wochen waren es laut Arbeitsagenturchef noch 25 000 Beschäftigte in 457 Betrieben, "ein Signal der Industrie sind, dass sie bald wieder zur normalen Beschäftigung übergehen wird". Oder ob bei dieser Einschätzung das "Prinzip Hoffnung dabei ist, weil in Wirklichkeit keiner weiß, wann die Talsohle durchschritten ist". Steil legt sich heute nur noch so weit fest, dass er zwei Szenarien beschreibt: "Es wird die Firma geben, in der es gut geht und die Mitarbeiter am Ende noch an Bord sind. Und den Betrieb, bei dem Kurzarbeit schließlich in den Abbau von Arbeitsplätzen übergehen wird."