Die Rezession und die Abhängigkeit von Finanzinvestoren bringen immer mehr Einzelhandelsketten in Gefahr.

Hamburg. Die deutschen Warenhäuser schlittern immer tiefer in die Krise. Nach Hertie steht nun auch die Billigkaufhauskette Woolworth vor dem Aus. Wegen drohender Zahlungsunfähigkeit beantragte das mehr als 80 Jahre alte Unternehmen beim Frankfurter Amtsgericht Insolvenz. Rund 11 000 Mitarbeiter müssen um ihre Arbeitsplätze bangen. Zu den 323 Filialen in Deutschland zählen auch sechs Geschäfte in Hamburg mit etwa 250 Beschäftigten.

"Das schleppende Weihnachtsgeschäft, zunehmende Konkurrenz und der starke Umsatzrückgang im Segment des Discountwarenhauses" hätten zur Insolvenz von Woolworth Deutschland geführt, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Ottmar Hermann. "Wir möchten in dieser außerordentlich schwierigen Situation alles versuchen, Arbeitsplätze zu sichern und möglichst viele Standorte zu erhalten."

Mit günstiger Mode, Lebensmitteln, Haushaltswaren und Parfüms hatte Woolworth zuletzt einen Weg aus dem Umsatztief gesucht und sich als "Multidiscounter" profilieren wollen. Doch in den vergangenen Wochen spitzte sich die Lage bei der angeschlagenen Kaufhauskette, die dem britischen Finanzinvestor Argyll Partners gehört, immer weiter zu.

Der erst Anfang März verpflichtete neue Chef Stefan Rohrer - Discountprofi und Ex-Lidl-Manager - warf angesichts der enormen Schwierigkeiten schon nach wenigen Wochen das Handtuch. Danach gingen der Billigkette trotz umfangreicher Maßnahmen zur Kostensenkung zunehmend die flüssigen Mittel aus. Im Geschäftsjahr 2007/2008 lagen die Erlöse noch bei rund 900 Millionen Euro. Genauere Zahlen liegen nicht vor.

Nach Einschätzung von Experten sind es vor allem die Warenhäuser, die angesichts der Rezession in Deutschland zunehmend in Bedrängnis geraten. Deren hohe Unterhaltskosten nagen an den mageren Renditen, die Kunden gehen lieber in die Fachgeschäfte oder ins Einkaufszentrum. So steckt etwa der Karstadt-Eigentümer Arcandor trotz umfangreicher Sanierungsbemühungen in der Krise und will möglicherweise staatliche Fördertöpfe anzapfen, nachdem im vergangenen Jahr hohe Verluste erwirtschaftet wurden.

Woolworth ist nur die bisher letzte Insolvenz in einer langen Reihe von Pleiten im deutschen Einzelhandel. Die bis vor vier Jahren zu Arcandor gehörenden Ketten Wehmeyer, SinnLeffers und Hertie haben alle Insolvenzanträge gestellt. Bei Hertie steht eine Entscheidung über die noch verbliebenen 54 Kaufhäuser unmittelbar bevor. Sollte bis heute keine Absichtserklärung eines Investors über den Kauf der Kette vorliegen, ist der zuständige Insolvenzverwalter Biner Bär berechtigt, alle Läden sofort zu schließen.

Die Fälle Woolworth und Hertie weisen allerdings noch in anderer Hinsicht interessante Parallelen auf. Beide Unternehmen befanden sich vor ihrer Insolvenz in der Hand von britischen Private-Equity-Firmen, denen angesichts der weltweiten Finanzkrise zunehmend die Geldquellen versiegten.

Die Mitarbeiter von Woolworth haben in den vergangenen Jahren gar eine wahre Eigentümer-Odyssee hinter sich. Die US-Muttergesellschaft - mittlerweile selbst vom Markt verschwunden - verkaufte die deutsche Tochter 1998 an den Finanzinvestor Electra Private Equity. Der heutige Eigentümer Argyll Partners übernahm die deutsche Woolworth dann Ende 2007 und begann, das Unternehmen zu sanieren. Die Gebäude von 110 Filialen gingen dabei an den US-Investor Cerberus, der Rest ist gemietet.

Insolvenzverwalter Hermann will nun zwar versuchen, Woolworth in Deutschland zu retten, doch ein Blick nach Großbritannien, zum dortigen Schwesterunternehmen, stimmt nicht gerade optimistisch. Woolworths in England wurde nämlich bereits im vergangenen Jahr Opfer der Wirtschaftskrise. Da kein Käufer für das Unternehmen gefunden werden konnte, schlossen bis Anfang Januar sämtliche 807 Filialen des Traditionsunternehmens. Insgesamt 27 000 Voll- und Teilzeitkräfte verloren ihre Jobs.