Knapp sieben Monate nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers werden die von der Bank ausgegebenen Zertifikate zum...

Hambug. Knapp sieben Monate nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers werden die von der Bank ausgegebenen Zertifikate zum Spekulationsobjekt. Bisher galten sie wegen der Pleite des Instituts als weitgehend wertlos. Die Wende brachte ein öffentliches Kaufangebot der Andria Capital AG aus dem hessischen Rödermark, das dem Abendblatt vorliegt. Die Gesellschaft bietet für insgesamt 15 verschiedene Lehman-Zertifikate jeweils zwei Prozent des Nennwertes. Wer also Wertpapiere im Nennwert von 20 000 Euro besitzt, würde von der Firma 400 Euro bekommen. Insgesamt hatte Lehman Brothers mehr als 100 Zertifikate in Deutschland ausgegeben, um sich Geld zu besorgen.

"Wir haben uns zunächst ganz bestimmte Zertifikate herausgesucht. Das hängt mit der Besicherung der Papiere zusammen", sagt Marcus Deetz, Vorstandsvorsitzender der Andria Capital AG, dem Abendblatt. "Wir planen aber noch Angebote für weitere Zertifikate." Die Firma hofft, aus der Konkursmasse der Bank eine höhere Entschädigungsquote zu erhalten.

"Ich fürchte, dass uninformierte Anleger in ihrer Not auf dieses Angebot eingehen", sagt Berthold Wimmer von der Interessengemeinschaft Lehman-Geschädigter. "Dass Banken solche Angebote weiterleiten, ist ein zusätzlicher Schlag in das Gesicht der Anleger." Folglich ist die Citibank, die die meisten Lehman-Zertifikate verkauft haben soll, in den Internet-Foren bösen Verdächtigungen ausgesetzt. So fragt das Mitglied Festung im Forum Lehman-Zertifikateschaden: "Was glaubt Ihr wohl, bekommt die Citibank davon auch etwas ab? Oder ist sie so gar darin involviert? Schließlich ist es die Citibank, die Adressen liefert!" Die Bank ist entsetzt. "Wir sind verpflichtet solche Angebote weiterzuleiten", sagt Ingo Stader von der Citibank. "Schließlich machen wir deutlich, dass die Weiterleitung unabhängig von unserer Einschätzung zu diesem Angebot erfolgt." Nicht in jedem Fall sehen sich Banken zur Weiterleitung verpflichtet. "Wir sehen keine Grundlage dafür, jedes Angebot den Kunden zu übermitteln", sagt Haspa-Sprecher Andre Grunert. "Wir unterstützen dagegen unsere betroffenen Kunden beim Anmelden ihrer Ansprüche beim Insolvenzverwalter", ergänzt er. Nach Auskunft des Bankenverbandes müssen die Kunden über alles informiert werden "was erheblich und wichtig ist". Damit haben die Institute einen gewissen Ermessensspielraum.

Der Andria Capital schlägt viel Misstrauen entgegen. Auf ihrer dürftigen Internetseite gibt es nur die Adresse des Unternehmens. Foren-Nutzer Kleistenes meint: "Diese Andria AG kann nur eine hundertprozentige Ganovenfirma sein." Die Firma will Zertifikate im Nennwert von 50 Millionen Euro aufkaufen. Dafür müsste sie eine Million Euro an die Anleger bezahlen. "Das Geld steht bereit", versichert Deetz, der auch Stipendiat am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft an der Universität Bremen ist. Mehrere Investoren würden hinter der Firma stehen. "Der Makel der Unseriösität tut mir schon weh." Er räumt ein, dass er auf eine höhere Entschädigungsquote als zwei Prozent spekuliert. "Aber nicht jene 15 bis 20 Prozent, auf die manche hoffen."

Experten sehen das Angebot von Andria Capital kritisch. "Zwei Prozent sind inakzeptabel", sagt Marco Cabras von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Das Angebot sehe ich skeptisch", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Da halte ich es für aussichtsreicher, rechtliche Schritte gegen die Bank zu prüfen oder die Forderungen beim Insolvenzverwalter anzumelden."