Preisaggressiv und verschwiegen - wie die Schwaben durch Übernahmen von Konkurrenten wachsen. Süddeutsche Firma verdoppelt Zahl der Filialen.

Hamburg. Noch läuft das Ostergeschäft bei Hertie am Bramfelder Dorfplatz auf vollen Touren. Die Verkäuferinnen lächeln tapfer, ganz gleich, ob Kunden nach Dekor-Artikeln oder der Zukunft des Hauses fragen. Doch allen Mitarbeitern des kleinen Warenhauses ist längst klar: In den nächsten Monaten stehen an diesem Standort der insolventen Kette massive Veränderungen bevor.

Das Haus, in dem die Hertie-Filiale sitzt, befindet sich nämlich seit kurzem in der Hand des Konkurrenten Kaufland aus Neckarsulm. Und das Schwesterunternehmen des Discounters Lidl hat ganz eigene Vorstellungen über die Zukunft des Standorts: 2010 sollen hier, wie in der bereits geschlossenen Hertie-Filiale in Langenhorn, neue Kaufland-Geschäfte eröffnen. Die "nicht mehr zeitgemäßen Hertie-Hüllen" werde man in "moderne Verbrauchermärkte" mit "kundenfreundlichen Parkplatzanlagen" umwandeln, sagte Unternehmenssprecherin Andrea Kübler dem Abendblatt.

Soll heißen: In den Stadtteilen sollen große Supermärkte entstehen, die neben Lebensmitteln auch Mode und Unterhaltungselektronik anbieten. Dabei plant Kaufland offenbar schon über den noch laufenden Betrieb in der Hertie-Filiale Bramfeld und den zuständigen Insolvenzverwalter hinweg. Der wusste bis gestern nämlich offiziell nichts von einem neuen Eigentümer für das Gebäude. Kaufland hatte das Geschäft direkt mit der englischen Muttergesellschaft abgewickelt und es nicht für nötig befunden, die Hertie-Zentrale über die Pläne zu informieren.

Die schnelle und geheime Vorgehensweise ist durchaus typisch für das zum Handelsimperium des Multi-Millionärs Dieter Schwarz zählende Unternehmen. "Kaufland wächst vor allem durch die Übernahme von Wettbewerbern", sagt Ingo Kamin, Einzelhandelsexperte beim Marktforschungsunternehmen TradeDimensions. Zehn bis 15 Filialen kämen auf diese Weise jährlich zu dem Netz von rund 500 Geschäften hinzu.

Nun haben die Schwaben offenbar die Hansestadt für sich entdeckt. "Kaufland schließt die weißen Flecken in Deutschland und die liegen vor allem im Norden", sagt Kamin. Neben den bestehenden drei Märkten im Hamburger Gebiet und den zwei Hertie-Häusern befindet sich noch eine weitere Filiale im Bau.

Nach Schätzungen von TradeDimensions erwirtschaftete Kaufland im vergangenen Jahr einen Erlös von rund 11,75 Milliarden Euro, 9,3 Prozent mehr als im Vorjahr.

Ein Grund für den Erfolg ist die Discountstrategie der Neckarsulmer. "Kaufland agiert ähnlich preisaggressiv wie Lidl", sagt Experte Kamin. Das Unternehmen versuche, die Kosten an allen Stellen unter Kontrolle zu halten - bei den Lieferanten ebenso wie beim Personal.

Kaufland ist zwar ähnlich öffentlichkeitsscheu wie das Schwesterunternehmen Lidl, gilt unter Gewerkschaftern aber als der etwas humanere Arbeitgeber. Während die große Schwester gerade erst wieder durch geheime Mitarbeiter-Krankenakten die Datenschützer auf die Palme brachte, sind solche Verfehlungen über Kaufland nicht bekannt. Schwierig gestaltet sich die Interessenvertretung für die Mitarbeiter aber dennoch. "Kaufland verhindert zwar nicht aktiv die Bildung von Betriebsräten, man braucht aber schon eine Menge Durchhaltewille für diese Arbeit", sagt die Betriebsratsvorsitzende von Kaufland Neugraben, Elke Thieme, dem Abendblatt. Ein Problem ist die verschachtelte Struktur des als Stiftung mit zahlreichen Tochterfirmen aufgestellten Unternehmens. So gehört Kaufland Neugraben zu einer Gesellschaft, in der sonst nur noch Geschäfte in Duisburg und Köln zusammengefasst sind. Die übrigen Hamburger Filialen zählen wiederum zu anderen Gesellschaften. "Eine Abstimmung der Betriebsratsarbeit auf regionaler Ebene ist auf diese Weise kaum möglich", sagt Thieme.

Ohnehin verfügt Kaufland Neugraben als einzige Hamburger Filiale über eine Interessenvertretung für die Mitarbeiter. Sie ist ein Überbleibsel aus der Zeit als das Haus noch zu Karstadt gehörte. Ähnlich wie die späteren Hertie-Filialen wurde es von dem Essener Warenhauskonzern im Rahmen der eigenen Sanierungsbemühungen verkauft.

Die Personalstruktur hat sich seither deutlich geändert. Zwar arbeiten mit rund 150 Menschen heute mehr Beschäftigte bei Kaufland als zu Karstadt-Zeiten, doch die Hälfte des Personals sind nach Betriebsratsangaben 400-Euro-Kräfte. "Dies hat sicher auch damit zu tun, dass das Unternehmen die Personalkosten so niedrig wie möglich halten will", sagt Betriebsrätin Thieme.

Ökonomisch hat sich die strikte Kostendisziplin offenbar ausgezahlt: Während Karstadt den Standort Neugraben noch als zu unprofitabel einschätzte, ist Kaufland mit dem Geschäft hoch zufrieden. Das Haus werde von den Kunden sehr gut angenommen, sagt Sprecherin Kübler.