Unter den Beschäftigten beim Autobauer Daimler geht spürbar die Angst um. Wie sicher ist mein Arbeitsplatz? Wie lange können Kündigungen noch durch Kurzarbeit verhindert werden?

Hamburg. Unter den Beschäftigten beim Autobauer Daimler geht spürbar die Angst um. Wie sicher ist mein Arbeitsplatz? Wie lange können Kündigungen noch durch Kurzarbeit verhindert werden? Reicht mein Gehalt künftig, um meine Familie zu finanzieren? Existenzielle Fragen, die sich gestern viele Mitarbeiter im Harburger Daimler-Werk stellten. "Die Lage ist sehr bedrückend. Niemand weiß, wie es weitergeht und wann diese Krise endlich vorbei ist", sagt Iris Grabenkamp (38), die seit 22 Jahren in der Verwaltung arbeitet. Klar sei nur: "Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen."

Angesichts der andauernden Absatzflaute kündigte der Stuttgarter Autobauer gestern drastische Sparmaßnahmen an. Konzernweit sollen in Deutschland in diesem Jahr zwei Milliarden Euro bei den Beschäftigten eingespart werden. Ein gewaltiger Brocken, der vor allem deutliche Einschnitte bei den Löhnen verlangt. Konzernchef Dieter Zetsche verkündete seine Pläne dazu gestern im Stammwerk Sindelfingen. Allerdings sollen diese in den nächsten Wochen noch mit den Betriebsräten verhandelt werden. Seine 20-minütige Botschaft wurde in alle Werke per Video zu den außerordentlich einberufenen Betriebsversammlungen übertragen - auch um 13.30 Uhr nach Harburg, wo sich rund 1250 Beschäftigte versammelten. Die Stimmung danach war bei den meisten deutlich gedrückt. "Wir hoffen, dass der Betriebsrat noch das Schlimmste abwenden kann", sagte ein Schlosser (28).

Konkret will Daimler die Wochenarbeitszeit von 73 000 der bundesweit 141 000 Mitarbeiter um fünf Stunden verkürzen, je nach Arbeitsvertrag von 40 auf 35 Stunden oder von 35 auf 30 Stunden - und zwar mit Lohneinbußen. "Dies bedeutet zwölf bis 14 Prozent weniger Gehalt", rechnet der Betriebsratsvorsitzende des Harburger Daimler-Werks, Norbert Dehmel, vor.

Für alle Mitarbeiter soll zudem die zweite Stufe der Tariferhöhung von 2,1 Prozent für Mai auf Dezember verschoben werden.

Zudem will Daimler die Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld kürzen. Dies könnte die Harburger besonders treffen. In dem Werk arbeiten derzeit 2100 von 2600 Beschäftigten kurz. In der Regel stehen seit Januar die Bänder freitags still, in einigen Abteilungen auch donnerstags.

Bislang erhalten rund 50 000 Kurzarbeiter bei Daimler durch die Aufstockung ihres Arbeitgebers 90 Prozent ihres bisherigen Nettogehalts ausgezahlt. Doch diese Aufstockung könnte in Harburg bald wegfallen. Im Gegensatz zu Baden-Württemberg, wo das Kurzarbeitergeld im Tarifvertrag geregelt ist, besteht die Pflicht zur Aufstockung im Tarif der IG Metall Küste nicht. Hier könnte der Satz schon bald auf die Pflichtzahlung von 67 Prozent sinken. "Das wäre natürlich sehr schmerzhaft", so ein 51 Jahre alter Anlagenfahrer.

Außerdem sollen nur noch 80 Prozent der bundesweit 1650 Auszubildenden - davon 140 in Harburg - übernommen werden. Auch will der Autobauer die Ergebnisbeteiligung für die Mitarbeiter, die je 1900 Euro für 2008 erhalten sollen, vorerst nicht ausbezahlen. Das Geld - 280 Millionen Euro - soll als Liquidität zunächst im Unternehmen verbleiben.

Das Harburger Werk ist bundesweit der kleinste Daimler-Standort. Hier werden die Vorder- und Hinterachsen für den Smart und die A-, B- und C-Klasse hergestellt sowie Lenkungen und Auspuffkrümmer für alle Wagentypen. "Es darf keine Entlassungen geben. Sparmaßnahmen müssen zumutbar und gerecht gestaltet werden und vor allem auch den Vorstand und alle Führungskräfte einbeziehen", forderte Jutta Blankau, Vorsitzende der IG Metall Küste. Auch für den Betriebsratschef Norbert Dehmel steht fest: "Unser wichtigstes Ziel ist die Sicherung der Arbeitsplätze und des Standortes. Wir versuchen bis zuletzt, Personalabbau durch Kurzarbeit zu verhindern."