Organisation empfiehlt weiteres Konjunkturprogramm. Der Welthandel schrumpfe um 13 Prozent.

Paris/Washington. Die schlimmste Rezession seit 60 Jahren, eine Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit und explodierende Staatsverschuldung: Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) sagt Deutschland düstere Zeiten voraus. "Die deutsche Wirtschaft wird mit am stärksten betroffen sein vom Einbruch des Welthandels", sagte OECD-Chefvolkswirt Klaus Schmidt-Hebbel gestern in Paris. Die Zahl der Arbeitslosen steige deshalb 2010 über die Marke von fünf Millionen. Dort lag sie zuletzt Anfang 2006.

Die Wirtschaftsleistung werde in diesem Jahr um 5,3 Prozent einbrechen, erwartet die OECD. Das wäre die schärfste Rezession seit Gründung der Bundesrepublik. Nach Japan leide Deutschland am stärksten von den sieben großen Industriestaaten unter der Finanzkrise. "Grund ist die Spezialisierung auf Investitionsgüter und Autos, für die es im Moment weltweit weniger Nachfrage gibt", sagte Schmidt-Hebbel. Die Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen dürfte deshalb um 16,5 Prozent einbrechen. 2010 werde der Export leicht anziehen - und damit die Konjunktur. Allerdings falle das Wirtschaftswachstum mit 0,2 Prozent äußerst gering aus.

Das reicht der OECD zufolge nicht aus, um einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Auch im Jahresschnitt 2010 werde die Zahl bei fünf Millionen liegen - das wäre ein Negativrekord für die Bundesrepublik. Ende März waren knapp 3,6 Millionen Menschen ohne Job.

Die OECD rät der Bundesregierung deshalb zu einem dritten Konjunkturprogramm. "Wegen der stark steigenden Arbeitslosigkeit sollten weitere Maßnahmen vor allem das Ziel haben, Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen." Die Regierung hat zwar im Kampf gegen den Abschwung bislang gut 80 Milliarden Euro locker gemacht. Davon stehen Schmidt-Hebbel zufolge aber weniger als zehn Prozent für eine aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung. "Deutschland hat hier noch Spielraum." Denkbar sei etwa, die Kapazitäten der Jobcenter auszubauen und stärker auf private Arbeitsvermittler zurückzugreifen. Problemgruppen wie etwa Langzeitarbeitslosen soll durch Eingliederungshilfen die Rückkehr in das Berufsleben erleichtert werden.

Angesichts der drastisch steigenden Staatsverschuldung fordert die OECD, Konjunkturhilfen zeitlich zu begrenzen. Sobald die Wirtschaft sich gefangen habe, müssten die Haushalte wieder saniert werden. Wegen Steuerausfällen und steigenden Sozialausgaben im Zuge der Rezession wird das Staatsdefizit nach Prognose der OECD in diesem Jahr auf 4,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes klettern. 2010 seien es sogar 6,8 Prozent - das wären mehr als 150 Milliarden Euro neue Schulden.

Auch für die 29 anderen Mitgliedstaaten sagt die Organisation eine Rezession voraus. "Die Weltwirtschaft befindet sich in der tiefgreifendsten Rezession, die wir zu unseren Lebzeiten gesehen haben", sagte Schmidt-Hebbel. Die globale Wirtschaftsleistung werde 2009 um 2,75 Prozent schrumpfen, der Welthandel um 13 Prozent einbrechen.

Damit ist die OECD pessimistischer als die Weltbank. Sie prognostizierte gestern für die globale Wirtschaft in diesem Jahr ein Minus von 1,7 Prozent. Der Welthandel werde um mehr als sechs Prozent abnehmen. Bereits im kommenden Jahr sei eine moderate Erholung möglich, doch sei dieser Ausblick "höchst ungewiss", räumte die Weltbank ein.