Firmenchef kritisiert den Preisdruck der Handelsriesen. Kleine Lebensmittelproduzenten geraten in Gefahr.

Hamburg. Zehn Millionen Euro Umsatzplus im vergangenen Jahr und weitere neue Verkaufsländer: Über mangelnden Erfolg will sich Jürgen Abraham trotz der Finanzmarktkrise nicht beschweren. Allerdings sieht er auch keinen Anlass zu Höhenflügen. "Ich gehe davon aus, dass wir unseren Umsatz von 190 Millionen Euro in diesem Jahr halten können", sagt Abraham, Mitinhaber des Seevetaler Unternehmens Gebr. Abraham, dem Abendblatt.

"Wir spüren zwar eine gewisse Zurückhaltung der Verbraucher, aber bislang konnten wir mit Innovationen gegensteuern, wie etwa regionale Angebote oder veränderte Grammaturen, also Packungsgrößen für die zunehmenden Single-Haushalte."

Jürgen Abraham startete 1964 mit seinem Bruder Rolf als Schinkenverkäufer auf Wochenmärkten. Daraus entstand Deutschlands Marktführer mit heute 650 Mitarbeitern in sechs Werken und einem Sortiment von 400 Artikeln - vom norddeutschen Katenschinken bis hin zu spanischen Spezialitäten. Das Unternehmen ist zudem größter Schinkenhersteller im Bereich der Handelsmarken. "Ein Drittel unseres Umsatzes stammt aus diesem Geschäft", so Abraham.

Jürgen Abraham ist immer noch Vorsitzender des Gesellschafterausschusses des Unternehmens, obwohl er und sein Bruder Rolf die Mehrheit der Firma im November 2008 an den Schweizer Fleischproduzenten Bell verkauft haben. "Wir wollen weiter expandieren, aber dazu ist es gut, sich mit einem starken Partner zu verbünden. Unser Ziel ist, dem Kunden alle europäischen Schinkenspezialitäten aus einer Hand zu bieten."

Mit dem neuen Eigner im Rücken führt Abraham derzeit Übernahmegespräche mit Schinkenräuchereien in Italien und Spanien. In beiden Ländern sowie in den USA und Frankreich sind die Seevetaler längst präsent. Jetzt will das Unternehmen auch auf den japanischen Markt, weil in dem Land deutsche Produkte hoch geschätzt seien.

Die deutsche Ernährungsindustrie, deren Verbandsvorsitzender Abraham ist, befindet sich derzeit allerdings in einer schwierigen Lage. Zwar müssen die Menschen auch in der Krise Nahrungsmittel kaufen, aber sie werden dabei preisbewusster. "Der Marktanteil der Discounter im Lebensmittelhandel wird von jetzt 44 Prozent weiter steigen", so Abraham. Die Folge könnten weitere Forderungen des Einzelhandels an die Hersteller nach Preissenkungen sein. Abraham mahnt zur Umsicht. "Ich habe nichts gegen Gespräche über die Preise und das Sortiment. Aber Veränderungen muss der Einzelhandel gemeinsam mit den Herstellern besprechen und nicht in Alleinregie festlegen", so der Verbandschef. Ansonsten würden in den nächsten Jahren kleinere und mittelständische Betriebe zur Aufgabe gezwungen. "Mir sind mehrere Betriebe bekannt, die Probleme haben. Wenn diese Firmen aufgeben müssen, gehen eine Vielzahl von Arbeitsplätzen und Vielfalt im Sortiment verloren."

Das Machtverhältnis bei Preisgesprächen ist eindeutig: Während im Lebensmitteleinzelhandel nur fünf Konzerne drei Viertel des Umsatzes erlösen, ist die Herstellerbranche stark vom Mittelstand geprägt. Die 4500 Betriebe beschäftigen rund 550 000 Mitarbeiter und erlösen 155 Milliarden Euro im Jahr.