Die Bundesagentur für Arbeit rechnet mit 300.000 Kurzarbeitern in den kommenden Monaten. Abendblatt Online hat einen von ihnen in Hamburg getroffen. “Niemand freut sich über die freien Tage“, sagt Ingo Meier, der seit Oktober nur noch vier Tage die Woche arbeiten muss.

Hamburg/Nürnberg. Seit Oktober muss er nur noch vier Tage die Woche arbeiten. Kurzarbeit. Es ist nicht das erste Mal für Ingo Meier (48), den Betriebsratsvorsitzenden bei Hermes Schleifmittel in Hamburg. Aber sie sei das "kleinere Übel. Hauptsache es gehen keine Arbeitsplätze verloren", sagt er. Der gelernte Maschinenschlosser, seit 25 Jahren bei dem Hersteller für Industrie-Schleifmittel beschäftigt, kennt die Stimmung der 500 Beschäftigten. "Niemand freut sich über die freien Tage."

Doch in den kommenden Monaten werden 300.000 Beschäftigte in ganz Deutschland ähnliche Erfahrungen machen. Dies hätten die Firmen zum Jahresende angekündigt, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, gestern in Nürnberg. Vor einem Jahr lag diese Zahl noch bei 10.000. Möglicherweise würde statt der vorgesehenen 300 Millionen Euro für Kurzarbeitergeld 2009 eine Milliarde Euro notwendig.

Nicht nur Weise auch Hamburgs Arbeitsagentur-Chef Rolf Steil hält die Kurzarbeit dennoch für die richtige Strategie statt Stellen zu streichen. "Ich appelliere an die Unternehmen, sich mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Die Maßnahmen können von uns bezahlt werden", sagte Steil. Hintergrund: Bundesweit verfügt die Agentur über Rücklagen von 17 Milliarden Euro und damit über ein Finanzpolster für eineinhalb Jahre.

Hamburgs Arbeitslosenquote bleibt unverändert

Die weltweite Konjunkturkrise hat jetzt die Zahl der Arbeitslosen zum Jahresende deutlich stärker als im Schnitt der vergangenen drei Jahre steigen lassen. Mit 3,102 Millionen lag die Zahl der erwerbslosen Männer und Frauen im Dezember 2008 um 114.000 höher als im November, aber noch um 304.000 niedriger als im Dezember 2007. Die Arbeitslosenquote nahm binnen Monatsfrist um 0,3 Punkte auf 7,4 Prozent zu. Vor einem Jahr hatte sie 8,1 Prozent betragen.

In Hamburg erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen gegenüber November nur leicht um 0,4 Prozent oder 255 Betroffene auf 69.617. Die Arbeitslosenquote blieb mit 7,7 Prozent unverändert. "Es ist der niedrigste Stand seit 1993", sagte Steil. "Die Krise hat den Arbeitsmarkt in der Stadt noch nicht erreicht, dies wird erst im April oder Mai sichtbar werden." Die Arbeitslosenzahl werde aber wohl zum vorerst letzten Mal unter 70.000 liegen.

Erfreulich für Hamburg: Ende Oktober wurden in der Stadt erneut die meisten Arbeitplätze in allen Bundesländern geschaffen. Im Jahresvergleich lag das Plus bei 3,2 Prozent oder 25 600 Stellen auf insgesamt 818 000. Hamburg profitiere von der diversifizierten Industrie und den Dienstleistern sowie vom erfolgreichen Mittelstand. Dennoch ließ Steil keinen Zweifel daran, dass sich der Stellenzuwachs abschwächt. So sank im Dezember die Zahl der bei der Agentur gemeldeten freien Stellen um 20 Prozent.

Werben für Weiterbildung

Auch in den anderen norddeutschen Ländern macht sich die Krise bemerkbar. In Niedersachsen stieg die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem November um 10.177. Insgesamt waren 288.629 Menschen arbeitslos. In Bremen gab es wie in Hamburg nur einen leichten Anstieg um 403 auf 34 923 Arbeitslose. In Schleswig-Holstein meldeten sich 104 000 Menschen arbeitslos, 3100 mehr als im November. Ein Plus von 6000 Arbeitslosen auf 118.300 bilanzierte Mecklenburg-Vorpommern.

Für Hamburg wertete gestern der Deutsche Gewerkschaftsbund den geringen Anstieg der Arbeitslosenzahlen als Zeichen dafür, dass bei den Arbeitgebern Kündigungen nicht mehr so selbstverständlich als Problemlösung gesehen würden wie vor der Finanzkrise. SPD-Bürgerschaftsfraktion und die IG Metall Küste setzen sich für die Qualifikation während der Kurzarbeit ein, für die auch Agenturchef Steil wirbt.

Auch Betriebsrat Ingo Meier verhandelt über Weiterbildung. Für ihn wird dafür aber kaum Zeit bleiben. Auch während der Kurzarbeit geht er täglich ins Büro: "Meinen Job kann man nicht auf vier Tage begrenzen."