An den Folgen des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine leiden vor allem die europäischen Nachbarn. Bei Minusgraden ist die Angst vor einem Versorgungsengpass groß. Abendblatt Online erklärt, wieso das Erdgas so wichtig ist.

Hamburg. Die Situation klingt bedrohlich: Zahlreiche europäische Länder sind von russischen Gaslieferungen abgeschnitten, der wichtigste deutsche Gas-Importeur Eon Ruhrgas hat vor einem Engpass bei Gaslieferungen in Deutschland gewarnt.

Wieso ist Gas so wichtig?

Erdgas ist der zentrale Rohstoff für das Heizen deutscher Häuser und Wohnungen. Seit Jahrzehnten ist die Bundesrepublik dabei von Russland abhängig.

Wie viel russisches Gas wird in Deutschland verbraucht?

Deutschland bezieht etwa 37 Prozent seiner Gasimporte aus Russland, deutlich mehr als aus jedem anderen Land. Kein großes europäisches Industrieland ist annähernd so abhängig von russischem Gas wie Deutschland. Die meisten osteuropäischen Staaten dagegen beziehen noch mehr Gas aus Russland.

Auf welchen Wegen wird das Gas nach Deutschland befördert?

Das Gas wird von Importeuren wie Eon Ruhrgas und Wingas in Russland gekauft und dann hierzulande an die Industrie, Stadtwerke und andere Versorger verkauft. Derzeit gibt es zwei zentrale Pipelines: Eine führt im Norden über Weißrussland und Polen nach Deutschland, eine weitere über die Ukraine und Tschechien. Diese ist von der russischen Lieferdrosselung betroffen.

Für was wird Erdgas in Deutschland vor allem verwendet?

Jede zweite deutsche Wohnung wird heute mit Erdgas geheizt. Und es werden immer mehr, weil Erdgas im Vergleich zu Heizöl oder Kohle weniger klimaschädlich ist. Rund 45 Prozent des Erdgases hierzulande geht an Privatverbraucher. Noch einmal so viel geht an Industriekunden, der Rest wird in der Stromerzeugung gebraucht.

Kann es sein, dass wegen der Lieferdrosselung bald die Heizung ausgeht?

Das ist kurzfristig unwahrscheinlich. Auch bei einem Ausfall der Lieferungen aus Russland könnte Deutschland noch aus den Reservespeichern und durch Importe aus anderen Ländern versorgt werden. Jedoch warnte Eon Ruhrgas nun erstmals, sollten die Lieferausfälle anhalten und es weiter sehr kalt bleiben, könnte es demnächst zu Engpässen bei der Versorgung von Kunden in Deutschland kommen.

Wie wird das Gas in Russland gefördert?

Das Erdgas wird meist in den Einöden von Sibirien aus dem Boden gebohrt. Auch deutsche Ingenieure helfen heute im Rahmen von Partnerschaften zwischen dem russischen Gasriesen Gazprom und deutschen Firmen bei der Ausbeutung der immer schwieriger zu fördernden Vorkommen. Das Gas strömt anschließend in Pipelines, die dann über osteuropäische Länder nach Deutschland führen.

Seit wann gibt es die große Abhängigkeit von russischem Gas?

Das rührt noch aus der Zeit des Kalten Krieges. Mitten in der Eiszeit zwischen den Machtblöcken vereinbarten Deutschland und Russland im Jahr 1973 die ersten Gaslieferungen. Trotz der weltpolitischen Konstellation kam es bis 1990 nie zu Problemen bei der Lieferung. Erst beim ersten russisch-ukrainischen Gasstreit zum Jahreswechsel 2005/2006 drosselte Russland erstmals die Gaslieferungen.

Wie will Deutschland seine Gasversorgung sicherer machen?

Das ist für Deutschland ein Drahtseilakt: Einerseits soll die Abhängigkeit von Russland sinken, andererseits der wichtigste Lieferant nicht verärgert werden. So setzen Gasimporteure einerseits auf die neue Flüssiggas-Technik, bei der Gas per Schiff geliefert wird und nicht mehr mit starren Pipelines. Zugleich baut Deutschland aber zusammen mit Russland eine Pipeline über die Ostsee. So wird Deutschland weniger abhängig von Transitstaaten, bindet sich aber zugleich enger an Russland. Viele osteuropäische Länder protestieren gegen das Projekt.