Seit Mittwochmorgen erhalten europäische Länder kein Gas mehr über ukrainische Leitungen. Österreich, Tschechien, Rumänien, Griechenland und die Türkei sind von den russischen Lieferungen abgeschnitten, in Bulgarien sind zwei Städte völlig ohne Gasversorgung.

Moskau/Kiew. Russland hat seine Gaslieferungen über die Ukraine komplett gestoppt. Es fließe seit Mittwochmorgen kein für europäische Kunden bestimmtes russisches Gas mehr durch die Pipelines in der Ukraine, sagte der Sprecher der staatlichen ukrainischen Gasgesellschaft Naftogaz.

Russland bestätigte den kompletten Lieferstopp seines Gases über die Ukraine nach Westeuropa. Die Ukraine habe die letzte von vier Transit-Leitungen für das russische Gas in die Europäische Union geschlossen, sagte der Vize-Chef des russischen Gasmonopolisten Gazprom, Alexander Medwedew, der Agentur Interfax zufolge in Berlin. Westeuropa erhalte aber noch über andere Leitungen weiterhin Gas.

Auch Österreich und Tschechien waren am Mittwoch vollständig vom russischen Gas abgeschnitten. Das meldete die österreichische Nachrichtenagentur APA unter Berufung auf den Energiekonzern OMV sowie die tschechische Nachrichtenagentur CTK unter Berufung auf den führenden tschechischen Gasimporteur RWE Transga, eine Tochter des deutschen RWE-Konzerns.

Russland hatte bereits an Neujahr die Gaslieferungen an die Ukraine eingestellt und beschuldigte den Nachbarn, Gas für sich abzuzweigen, das für andere europäische Länder bestimmt war. Schon in den vergangenen Tagen hatte Russland die Lieferungen über die Ukraine immer weiter gedrosselt, erste Länder hatten schon am Dienstag kein Gas mehr bekommen.

Glos: "Keiner muss Angst haben, zu frieren"

Auch in Deutschland, das über die Ukraine und auch über Weißrussland und Polen versorgt wird, gab es einen starken Einbruch bei den Gaslieferungen. Rund 80 Prozent des nach Deutschland gelieferten russischen Gases wird üblicherweise über die Ukraine geleitet. Deutschland importiert mehr als ein Drittel seines Gases aus Russland.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos rechnet jedoch trotz des anhaltenden Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine nicht mit steigenden Preisen für die Verbraucher. Der CSU-Politiker sagte in einem Interview: "Die Bürger müssen nicht unmittelbar mit höheren Belastungen rechnen, denn die Gasversorger arbeiten auf der Basis langfristiger Lieferverträge."

Zudem sei der Gaspreis an die Entwicklung des Ölpreises gekoppelt. "Demnach wird er daher in den nächsten Wochen tendenziell eher zurückgehen", wurde Glos zitiert. Niemand solle sich fürchten, dass er im Winter frieren werde.

Bulgarische Städte ohne Gasversorgung

Russland und die Ukraine forderte Glos erneut auf, ihren Streit rasch zu beenden und ihre vertraglichen Pflichten zu erfüllen. "Das gilt aber auch im wohlverstandenen Eigeninteresse, denn nicht geliefertes Gas kann schließlich auch nicht bezahlt werden." Deutschland müsse sich zugleich verstärkt darum bemühen, eine Diversifizierung der Bezugsquellen und Transportrouten für Öl und Gas zu erreichen. "Dies fördert den Wettbewerb und mindert die Risiken", sagte Glos.

Deutlich dramatischer ist die Situation bereits in einigen anderen europäischen Ländern. In Bulgarien, das fast sein gesamtes Gas aus Russland bezieht, sind nach Behördenangaben zwei Städte ohne Gasversorgung - bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Die Regierung erwägt deshalb die Wiederinbetriebnahme eines stillgelegten Atomkraftwerks.

Die Türkei, Rumänien, Griechenland und andere Balkanstaaten meldeten ebenfalls einen völligen Lieferstopp. In Polen kamen nur 15 Prozent der vereinbarten Liefermengen an. Kroatien kündigte bereits an, es werde die Lieferungen an industrielle Gasverbraucher einschränken, um den Verbrauch zu senken. Die Slowakei stellt sich auf einen ähnlichen Schritt ein. Im Streit um die Gaslieferungen wollen der russische Gaskonzern Gazprom und die Ukraine offenbar das Schiedsgericht in Stockholm anrufen.