Einer der spektakulärsten Coups der deutschen Wirtschaftsgeschichte endete vor zehn Jahren mit einer friedlichen Fusion. Am 17. März 1999 wurde der Zusammenschluss von Thyssen und Krupp zu einem neuen Stahlgiganten mit der Eintragung ins Handelsregister besiegelt.

Essen. Heute gehört die ThyssenKrupp AG mit weltweit knapp 200 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 53 Milliarden Euro zu den größten deutschen Industriekonzernen. Doch ein Jahrzehnt nach dem Start kämpft der Konzern mit einer Krise in seiner wichtigsten Sparte Stahl.

Begonnen hatte die Geschichte der Konzernehe vor zwölf Jahren mit einer Indiskretion. Dabei waren die Pläne des Krupp-Managements unter Führung von Gerhard Cromme in die Öffentlichkeit gelangt, den deutlich größeren Thyssen-Konzern zu schlucken. Die Pläne einer "Übernahme nach Wildwest-Manier" lösten eine Protestwelle aus.

Das Vorhaben mündete schließlich nach zähen Verhandlungen in einer friedlichen Fusion. In einem ersten Schritt schlossen sich die damals auch unter Absatzschwierigkeiten leidenden Stahlsparten und wenig später die beiden Gesamtkonzerne zusammen. Nach Beschwerden mehrerer Aktionäre konnte die Fusion erst ein halbes Jahr nach Unterzeichnung des Verschmelzungsvertrags tatsächlich ins Handelsregister eingetragen werden.

Nach der Fusion stand zweieinhalb Jahre lang eine Doppelspitze aus dem ehemaligen Krupp-Chef Cromme und dem Thyssen-Manager Ekkehard Schulz an der Spitze des Konzerns. Für viele Beobachter überraschend wechselte Cromme schließlich an die Spitze des ThyssenKrupp- Aufsichtsrats und Stahl-Experte Schulz übernahm das Ruder. Der heute 67-jährige Schulz zählt mittlerweile zu den dienstältesten deutschen Spitzenmanagern. Sein Vertrag läuft noch bis Ende Januar 2011.

Nach der Fusion geschmiedete Börsen-Pläne der Stahlsparte und damit zu einer grundlegenden Neuausrichtung des Konzerns verschwanden angesichts eines sich verdüsternden Börsenumfelds wieder in der Schublade. Während sich das Festhalten am Stahl in den zurückliegenden Boom-Jahren als Glücksfall für den Konzern erwies, drohen nun durch eine weltweite Absatzflaute der ThyssenKrupp- Stahlsparte ebenso wie den großen Konkurrenten rote Zahlen.

Noch im zurückliegenden Geschäftsjahr 2007/08 (30. September) waren die Segmente Stahl und Edelstahl mit einem Anteil von zusammen mehr als 40 Prozent am Konzernumsatz und zusammen mehr als 50 Prozent am Konzern-Vorsteuerergebnis von 3,1 Milliarden Euro das mit großem Abstand wichtigste Geschäftsfeld. Daneben ist ThyssenKrupp heute in den Sparten Anlagenbau und Werften (Technologies), Aufzüge (Elevator) und Dienstleistungen (Services) aktiv.

Nach dem vor zwei Jahren gescheiterten Versuch, den profitablen kanadischen Stahlhersteller Dofasco zu übernehmen, schaltete ThyssenKrupp noch mitten im damaligen Stahlboom um auf den milliardenschweren Aufbau neuer Kapazitäten. Noch 2009 soll mit Kosten von voraussichtlich rund 4,5 Milliarden Euro ein neues Stahlwerk in Brasilien mit einer Jahreskapazität von rund fünf Millionen Tonnen anlaufen. Im Frühjahr 2010 sollen die ersten Anlagen eines weiteren Stahlverarbeitungs- und Edelstahlwerks im US- Bundesstaat Alabama an den Start gehen.

Voraussichtlich vom kommenden Jahr an will der ThyssenKrupp- Konzern mit einem Umzug der Zentrale von Düsseldorf nach Essen wieder zu seinen Wurzeln im Ruhrgebiet zurückkehren. Am historischen Krupp- Standort am Rande der Essener Innenstadt entsteht derzeit die neue Unternehmenszentrale. Dort hatte vor rund 200 Jahren die Stahlproduktion des Unternehmens begonnen. Nur wenige Kilometer entfernt hat im Park des traditionsreichen Familiensitzes Villa Hügel die Krupp-Stiftung als größte ThyssenKrupp-Einzelaktionärin ihren Sitz. Nach der Fusion verfügt die Stiftung derzeit über einen Anteil von 25,1 Prozent.